Wundersame Erkenntnismodelle
Die Wunderkammer als Leitbild für die Vision einer Kunsthochschule?

Eine Veranstaltung mit KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen, konzipiert von Nike Bätzner mit Sara Burkhardt, Antje Dudek, Dietmar Kohler.
5. und 6. Juni 2015
Volkspark, Schleifweg 8a, 06108 Halle/Saale

Wundersame Erkenntnismodelle


Die Wunderkammer ist ein ganzheitliches Modell der Welterfassung. Sie vereint Naturalia und Artificialia, Exotica und Mirabilia, Scientifica sowie Realia, Materialien und Geschichten, gezielte Recherche und Finderglück. Sie ist aber nicht nur ein Ort der Versammlung von Dingen und ihrer Ordnung, sondern bietet auch der Forschung und dem Dialog über die Dingkonstellationen ein Feld. In ihr spiegeln sich die Analogiesetzung von Makro- und Mikrokosmos und ein globaler Blick, dessen Hintergrund Missionstätigkeit und Kolonialgeschichte bilden. Im Zuge von Aufklärung und Rationalismus wurden die Bestände der Wunderkammern kategorisiert und den Sammlungen der seit dem 18. Jahrhundert entstehenden Spezialmuseen zugeteilt. In den letzten Jahren nun wurde die Wunderkammer vereinzelt und auf unterschiedliche Weise als ein Muster für Ausstellungskonzepte aktualisiert. Könnten ihre Prinzipien nicht nur für Präsentationen von Dingen und Kunstwerken, sondern auch für Lehrkonzepte und Erkenntnismodelle reaktiviert werden?
Das Symposium fragt danach, welche realen und utopischen Modelle der Welterkenntnis im Allgemeinen und für eine Kunsthochschule im Besonderen heute produktiv zu machen wären. Könnte die Wunderkammer als Grundlage für den Entwurf einer Kunsthochschule gelten, deren experimentelle künstlerische Forschung auf Beobachtung, Materialrecherche, Form- und Projektentwicklung basiert, für eine Schule, die durch Neugierde, Zweifel, Versuch und Realisierungsprozesse bestimmt wird? Wäre sie als Denkfolie zu nutzen für eine Institution jenseits eurozentrischer Fokussierungen und Systematisierungen, die nach wie vor mit der Trennung der Disziplinen und der diese begleitenden Gewerke einher gehen? Inwiefern ließe sich die für die Wunderkammern kennzeichnende ars combinatoria heute weiter denken im Sinne einer transdisziplinären Vernetzung?

Das Symposium steht in Zusammenhang mit der Ausstellung Assoziationsraum Wunderkammer. Zeitgenössische Künste zur Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen zu Halle, einem Kooperationsprojekt zwischen der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und den Franckeschen Stiftungen zu Halle. Diese wird anlässlich des 100. Jubiläums der BURG vom 24. April bis 16. August 2015 in der pietistischen Wunderkammer der Franckeschen Stiftungen sowie der Ausstellungsetage im Historischen Waisenhaus am Franckeplatz 1 gezeigt.

Programm
5. Juni 2015
Franckeschen Stiftungen zu Halle, Historisches Waisenhaus, Franckeplatz 1

11:00  Rundgang durch die Ausstellung Assoziationsraum Wunderkammer  in den Franckeschen Stiftungen, Führung: Nike Bätzner, Kuratorin der Ausstellung

13:00 Mittagspause

Im Anschluss: Vorträge und Diskussionen im Volkspark Halle, Schleifweg 8a

14:00  Nike Bätzner (Halle): Studiolo – Wunderkammer – Hochschule: Orte einer ars combinatoria?

14:30  Wolfgang Ullrich (Leipzig): Roland Barthes als Koralle – oder: Eine Kritik des Assoziierens

15:30  Donna Roberts (Helsinki): The Case of Jan Švankmajer: Imagining, Touching, and Collecting

16:15  Ingo Uhlig (Halle/Münster): Universalität – epistemisch/ästhetisch

17:15  Dietmar Rübel (Dresden): Hanne Darbovens Thesauros am Burgberg. Ein Schatzhaus materieller und immaterieller Zeugnisse

18:00  cominghomefunktion live aus Kasachstan

18:15  Abschlussdiskussion

6. Juni 2015
Führung, Vorträge und Diskussionen im Volkspark Halle, Schleifweg 8a

10:00  Rundgang durch die Ausstellung Professoren und Professorinnen der BURG aus Kunst und Design antizipieren, antworten, bauen… im Volkspark, Führung: Jule Reuter, Kuratorin der Ausstellung

11:15  Sara Burkhardt (Halle): Die Kammer öffnen. Verschiebungen, Verflechtungen und Formate der Vermittlung

11:45 Mario Urlaß (Heidelberg): Außergewöhnlich. Vom Staunen und Wundern in künstlerischen Bildungsprozessen

13:00 Mittagspause

14:00  Ulrike Grossarth (Dresden): Eine Akademie in Lublin

14:45  Benjamin Meyer-Krahmer (Leipzig): „Konstellationen von Artefakten“ – Der Essay als Erkenntnismodell zwischen Kunst und Wissenschaft

16:15  Dietmar Kohler (Halle): Fragen statt Antworten. Kunstgeschichtliche Lehre als Realienunterricht

16:45  Sebastian Löwe (Berlin): Das Unbehagen der Welterklärung. Möglichkeiten und Grenzen von herrschaftskritischem Wissen im Rahmen des transdisziplinären Kunstprojekts ufo-Universität

17:15  Abschlussdiskussion