Material Schokolade – Kunstobjekte zur Speise der Götter

Ausstellungseröffnung: Mittwoch, 28. März 2012, 18 Uhr

Sarah Schuschkleb, Entwurf für ein Kunstobjekt aus Schokolade, 2012

Begrüßung
Prof. Axel Müller-Schöll, Rektor

Einführung
Prof. Andrea Zaumseil, Professorin für Bildhauerei / Metall
Prof. Dr. Nike Bätzner, Prorektorin

Es war der schwedische Botaniker Carl von Linné, der dem Kakaobaum den Namen „Theobroma cacao“ gab. Zusammengesetzt aus „theos“ Gott und „broma“ die Speise wird klar: bei der Schokolade handelt es sich um nichts weniger als um „die Speise der Götter“. In Deutschland werden heute im Durchschnitt pro Einwohner und Jahr über elf Kilogramm von diesem köstlichen und nährstoffreichen Lebensmittel konsumiert. Einzig die Schweizer essen mehr davon. Schokolade, das bedeutet fast immer Genuss, aber auch eine Portion Lust kann durchaus mit ins Spiel kommen. So wie sie lockt und zum Naschen verführt, wird für den kalorienbewussten Menschen auch immer etwas vom schlechten Gewissen virulent. Schokolade ist edel und exotisch, sie ist gewöhnlich und jederzeit verfügbar. Im alltäglichen Konsum kann die Schokolade, wie auch die Zigarette, zu einem Gefühl von Entspanntsein verhelfen und infolge die psychische Ausgeglichenheit günstig beeinflussen. Will man es unbedingt kritisch betrachten, kann man die Schokolade auch zu einem Medium der Kompensation für ein vorhandenes psychisches Defizit erklären. Dem zum Trotz ist Schokolade – ob als Lila Kuh, Sarotti-Mohr, Osterhase, Nikolaus, Überraschungsei, Ferrero Küsschen, Nutella u.a.m. – jener positive Verstärker, der immer auch Ausdruck von Zuwendung, Aufmerksamkeit, Belohnung und Trost ist. Das ist auch das Motiv, warum der Hotelgast mitunter als Gastgabe ein kleines Stück Schokolade auf seinem Kopfkissen vorfindet. Wenn Künstler die Schokolade als Grundstoff für ihre Arbeiten wählen, überrascht nicht, dass dieses Material in ungewöhnliche Wahrnehmungs- und Sinnzusammenhänge transformiert oder ganz eindeutig in Beziehung zu Sinnlichkeit und Sexualität gesetzt wird. Bei dem Thema Schokolade in der Kunst ist natürlich zu erwarten, dass diese verfremdet, in neue Kontexte gestellt, mit anderen Materialien kombiniert und in ihrer eindeutigen Bedeutung irritiert und gebrochen wird. Obschon Schokolade eine Geschichte der Gewöhnung, bis hin zur ihrer alltäglichen Präsenz hinter sich hat, gelingt es gerade der Kunst, diese Materie neu im Lichte des Unbekannten und Ungewöhnlichen erleben zu lassen.

In der Ausstellung „Material Schokolade“ tritt diese kulinarische Genussmasse als Substanz ganz unmittelbar in ihrer sinnlichen Kraft und offensichtlichen Gestalt in Erscheinung. Dabei fungiert sie auch als Zeichen und Symbol. Als Stoff steht sie in Wechselbeziehung zu Form und Idee der künstlerischen Gestaltung. Die Objekte verlassen den Rahmen der Konvention. Sie sind nicht wie Büsten aus Holz, Marmor oder Bronze, sondern aus dem bis zu diesem Zeitpunkt kunstfremden und ephemeren Material Schokolade. Die Kunstobjekte der teilnehmenden Studenten geben Raum für die vielseitigsten Interpretationsmöglichkeiten und lassen die Referenzpunkte der Arbeiten erkennen, wie Kindheitserfahrungen, Alltagserlebnisse, Illusionen, Märchen und auch „Lust und Frust mit der süßen Last“.

Die Ausstellung „Material Schokolade“ erschließt einen ungewohnten Blick auf die Schokolade und die immanenten Möglichkeiten einer Form- und Texturveränderung durch die Einwirkung von Temperatur. Sie präsentiert Schokolade als inkonsequentes Material, das in seinem Zustand variabel bleibt. Sie zeigt, wie diese braune klebrige und süß schmeckende Masse alle fünf Sinne gleichzeitig zu berühren vermag. Das Braun der Schokolade macht Assoziationen an Erdiges, Warmes und Energetisches frei. Mit der Gegenwart von Schokolade werden Erinnerungen an Traditionen (Weihnachten, Ostern), an Rituale (Geburtstage) wach und Momente kindlichen Glücks ahnungsvoll gestreift. Evident ist der ganz und gar spielerische Umgang mit Aura und Kitsch rund um Schokolade sowie die profanen und sakralen Zuschreibungen an das Material. Wenn Objekte des Alltags aus der Masse der Schokolade ihre Gestalt finden, sind Ironie und Parodie natürlich die entscheidenden Akteure. So sind die Kunstobjekte zumeist ungenießbar, sie verweigern sich dem oralen Genuss. Niemand wird riskieren, in einen mit Schokolade überzogenen Stahlnagel zu beißen. Insgesamt gruppieren sich die Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Fest und Alltag, Lust und Gier, Genuss und Übersättigung, Spiel und Ernst.

Die Ausstellung „Material Schokolade“ basiert auf der Einladung des Museum Ritter in Waldenbuch an die Studierenden der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, aus Schokolade als Material neue Kunstobjekte zu kreieren. Diese Objekte sind jetzt exklusiv in der Burggalerie im Volkspark ausgestellt. Die Schau versammelt zum Thema die „Speise der Götter“ sowohl die Kleinplastiken der Studierenden als auch die Videobeiträge über und mit den Studierenden der Gastkünstlerin Dagmar Varady. Die Filme gehen der Frage nach: Wird Schokolade gekaut, geschlemmt, geleckt, gemampft, gefressen, geschlürft oder sonst irgendwie gegessen?

Danach ist eine Werkauswahl aus „Material Schokolade“ im Rahmen der großen Jubiläumsausstellung „Kunst mit Schokolade. 100 Jahre Ritter Sport“ vom 12. Mai bis 30. September 2012 im Museum Ritter in Waldenbuch zu sehen.

Mit Kunstobjekten von:
FELIX BEHR
MARCUS BIESECKE
MAGDALENA BINDER
ELA CELARY
DANNI CHEN
WIEBKE DEGLER
ULLI GRÜNING & HENDRIK NATER
JULIANE MARIA HOFFMANN
LUCY KÖNIG
YUMIKO MATSUNAGA
FLORIAN MILKER
PETRA REICHENBACH
SARAH SCHUSCHKLEB
DIANA WILD
PHILIPP WITTE
MARTIN WÖLLENSTEIN
LUKAS WRONSKI

Gastkünstlerin:
DAGMAR VARADY

29. 3. – 15. 4. 2012
Material Schokolade
Kunstobjekte zur Speise der Götter

Burg Galerie im Volkspark
Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Schleifweg 8 a
06114 Halle (Saale)

Information +49 (0)345 7751-526
www.burg-halle.de


Öffnungszeiten
Mo–Fr 14–19 Uhr / Sa + So 11–16 Uhr / Ostermontag 11–16 Uhr

Wir danken unserem Projektpartner: Museum Ritter