Lea Bruns

"andererseits"
Examen/ Klasse Prof. Stella Geppert/ Studiengang Kunst Lehramt/ Sommersemester 2016 / Präsentation am 09.06.2016, Hansering 1, Halle (Saale)

o.T./Fotografie/2016/Direktdruck auf Acryglas/120x180 cm
Foto: Lea Bruns

andererseits

Bereits seit einigen Jahren faszinieren mich die Raumschichtungen, die sich bilden, wenn sich Innen- und Außenraum auf einer Fensterscheibe treffen. Durch die Eigenschaft des Glases – in Abhängigkeit vom  Lichteinfall – transparent und spiegelnd zu sein, bilden sich auf der Scheibe Fragmente des Außenraumes ab und verbinden sich mit jenen des Innenraums, auf die das Glas die Durchsicht gewährt. Formen greifen  ineinander, Strukturen überlagern sich, imaginäre Räume entstehen. Die Fotografien sind die Dokumentation der Bilder, die mir auf meinen Streifzügen durch eine Stadt begegnen. Sie schießen dann aus ihrem urbanen Kontext hervor, die ursprünglichen Raumzugehörigkeiten treten zurück und ich tauche ein in die Scheibe, in den fiktiven Raum zwischen Innen und Außen, versuche die Schichtungen und Anordnungen zu präzisieren. In diesem Moment glaube ich spüren zu können, dass Glas nicht fest sondern flüssig ist und die Moleküle in stetiger Bewegung sind. Die Flüchtigkeit der hybriden Bilder bekommt doppelte Bedeutung.

Diese Auseinandersetzung mit der Schwelle zwischen Innen und Außen, Öffentlich und Privat erweiterte ich konzeptionell, indem ich einige Fotografien auf Acrylglas druckte und ein raumgreifendes Format wählte. Als Ausstellungsort wählte ich zwei leerstehende Ladengeschäfte in der Innenstadt von Halle (Saale). Beide öffnen sich durch ihre Fensterfronten zum Stadtring. Um von dem einen in den anderen Ausstellungsraum zu gelangen, müssen die Besucher_innen hinaus- und wieder hineintreten.

Die Größe der Fotografien erlaubt es erneut, in das Bild einzutauchen und die Details der Schichtung wahrzunehmen. Bedingt durch die gläserne Oberfläche des Bildes und in Abhängigkeit von den Lichtverhältnissen einerseits und der Position der Betrachterin/ des Betrachters andererseits, sind zwei unterschiedliche Ebenen der Betrachtung möglich. Mal erblickt der/die Betrachter_in die von mir festgehaltene Bildanordnung, mal taucht er/sie selbst ein, das eigene Spiegelbild taucht auf und der Bildraum vermischt sich mit den Spiegelungen des Ausstellungs- bzw. Außenraums. Die Betrachtung der Fotografien erzeugt eine Bewegung, die meinem eigenen Tanz ähnelt, den ich vor der Scheibe vollziehe, während ich fotografiere. Die Besucher_innen entdecken, dass sich eine Grünfläche im Bild mit der Grünfläche im realen Außenraum gegenüber dem Ausstellungsraum verbindet. Eine klare Trennung zwischen Abbild und Wirklichkeit, realem und fiktivem Raum scheint (für den Moment) unmöglich. Die Besucher_innen leiten mich mit ihren Entdeckungen durch den Raum, von Blickwinkel zu Blickwinkel und ermöglichen mir neue Perspektiven.