Wie die Osterländer zum Puppenspiel kamen, Luise Wonneberger

WiSe 2014/15, 3.+4.Stj/Master - ein Gemeinschaftsprojekt der Burg und der Staatlichen Akademie der Künste Stuttgart, Prof. Karl Höing und Prof. Bettina Göttke-Krogmann

Luise Wonneberger

Die Tradition des Osterländer Puppenspiels geht von einem (erfundenen) Märchen aus, das sich in der Region zwischen Thüringen und Sachsen lange Zeit erzählt wurde. In den kalten Wintertagen wurde es jedes Jahr nachgespielt. Üblicherweise fand das Spiel zu Hause nach dem Abendessen, noch am Tisch sitzend, statt. In den Familien wurden die Figuren aus der Geschichte selber gefertigt und an die Kinder weitergegeben. Die Themen des Spiels wurden über die Jahre immer mehr ausgeweitet, die Leute fügten andere Charaktere ein und bauten neue Puppen. Sie spielten Begebenheiten aus ihrem Leben nach oder erfanden neue Handlungen, sodass es am Ende in jeder Familie eine andere Zusammenstellung von Figuren gab.

Ich habe diese alten Puppensammlungen in ein neues Format gebracht. Ich wollte die Tradition aufgreifen, ohne selbst fertige Puppen zu bauen und ohne viel Platz zum Aufbewahren zu benötigen, auch für andere Menschen, denen die Thematik vielleicht noch fremd ist. Dazu wählte ich neun Charaktere aus, ausgehend von den Märchenfiguren, die ich in Stoff umsetzte. Die Figuren können auf sehr verschiedene Weisen "zum Leben erweckt" werden: z.B. Falten, Hinstellen, Aufhängen oder über die Hand ziehen. Ebenso gibt es inhaltlich viel Handlungsspielraum: Man kann in Rollen schlüpfen, Streite ausleben, Gefühle und Geschichten nachspielen oder erfinden oder auch die Stoffe als solche benutzen, beispielsweise als Servietten, Geschirrhandtücher oder Platzdeckchen. Das greift auch die Idee auf, das Abendessen direkt mit dem Puppenspiel zu verbinden, da die Puppen als Servietten schon auf dem Tisch sind.