Als wär' nix gewesen.

Orientiert am üblichen Mietprozedere wurde Wohnraum von Studenten unterschiedlicher Fachgebiete 8 Wochen raumbezogen und raumgreifend künstlerisch beearbeit. Am Ende der Projektphase wurde wieder der Ausgangszustand hergestellt: Als wär nix gewesen.

"Symmetrisch - synchronesAbendessen"

"Symmetrisch - synchronesAbendessen"

In jedem der beiden Wohnzimmer ist eine Tafel aufgebaut. Jeweils acht Sitzplätze sind nummeriert und geben damit eine Sitzordnung vor. Uhren hängen an den sich gegenüberliegenden Wänden. Die Tafeln sind spiegelsymmetrisch zueinander gedeckt: Teller, Flaschen, Besteck, Servietten und Tischschmuck - alles findet sich gespiegelt auf dem Tisch der anderen Wohnung.
Der Ablauf der eineinhalb Stunden dauernden Mahlzeit ist strukturiert und durch Handlungsanweisungen organisiert, die den TeilnehmerInnen zusammen mit einer Einladung zugesandt wurden. Durch die auf einen bestimmten Zeitpunkt festgelegten Anweisungen sind z.B. Auftragen- und Abtragen der Vor-, Haupt-, und Nachspeise genauestens reglementiert und laufen in beiden Wohnungen synchron ab. Die relative Gleichförmigkeit der nebeneinander ablaufenden Handlungen thematisiert die von uns wahrgenommene Architektur der beiden nach demselben Muster angelegten Dreiraumwohnungen. Die Wege und Räume der einen Wohnung spiegeln die der anderen.
Durch die Inszenierung einer symmetrisch synchronen Mahlzeit sollte dieser Charakter der Architektur aufgenommen und ins Bewusstsein der Teilnehmenden gerufen werden. Für die AkteurInnen blieben die Gleichzeitigkeiten ungesehen. Durch die von uns gebohrten Löcher in der gemeinsamen Wand war es dennoch möglich, etwas vom Geschehen in der jeweils anderen Wohnung wahrzunehmen. Nicht das Sehen, sondern vielmehr das Wissen um mögliche Synchronität, war ein wichtiger Aspekt des Happenings. Um die Idee der genormten Tischgesellschaft zusätzlich zu unterstützen wurden die teilnehmenden Gäste in Familien aufgeteilt. So wurde eine Wohnung zum Quartier der Familie Hinz und die andere zu dem der Familie Kunz.
Die Kameraaufzeichnung des Abends, die die Parallelitäten im Nachhinein sichtbar macht, ist der Versuch einer Dokumentation.
Auszug einer Handlungsanweisung
Gast mit der Platznummer 5 der Wohnung "Kunz"
19:21 Uhr * Sage laut: "Die Flasche ist jetzt leer."
19:35 Uhr * Reibe dich mit dem linken Zeigefinger an der Nase.
19:36 Uhr * Staple die Teller der an deiner Seite der Tafel Sitzenden.
20:00 Uhr * Starre auf einen beliebigen Punkt vor dir und zähle in
Gedanken langsam bis 15.

Das Projekt

Gemeinsam war uns der Wunsch raumbezogen und raumgreifend im Austausch mit KommilitonInnen unterschiedlicher Fachgebiete künstlerisch zu arbeiten.

Das Bedürfnis nach freien Entfaltungs- und Assoziationsmöglichkeiten zum Thema „Raum“ führte uns während der Überlegungen zu geeigneten Rahmenbedingungen und Räumlichkeiten in die Diskussion um Begriffe wie „Mietverhältnis“ und die Frage nach dem Charakter von Räumen. Zu Vermietungszwecken werden Räumlichkeiten üblicherweise in einen Zustand der Neutralität versetzt. Die Präsenz der Vormieterschaft und deren gestaltetes Leben in den Räumen wird weitestgehend gelöscht, um erneut möglichst vielseitig nutzbare Denkräume oder denkbare Nutzräume zu schaffen.

Angestoßen durch solche Überlegungen entwickelte sich die Konzeption des Projektes. Orientiert am üblichen Mietprozedere soll Wohnraum temporär bezogen, künstlerisch bearbeitet und am Ende der Projektphase wieder in seinen Ausgangszustand versetzt werden: Als wär nix gewesen.

Im Januar und Februar 2012 bot sich uns die Möglichkeit das Projekt umzusetzen. Wir bezogen zwei sich gegenüber liegende Dreiraumwohnungen eines Wohnbocks in der Alten Heerstraße, Halle Silberhöhe und begannen mit einer Bestandsaufnahme: Die Räume wurden erfasst, vermessen und im vorgefundenen Zustand dokumentiert. Anschließend wurde der von uns wahrgenommene Charakter des Ortes gesteigert, überzeichnet, untergraben, gebrochen, gesprengt, überspielt und nachgezeichnet. Teilschritte dieses Prozesses wurden dokumentiert und gemeinsam reflektiert.

Über den Zeitraum von acht Wochen befanden sich die Räume in stetem Wandel. Neben der künstlerischen Auseinandersetzung jedes Einzelnen, entwickelten sich gemeinsame Aktionen, die den Charakter der Wohnungen aufgriffen: Ein spiegelsymetrisch - synchrones Abendessen in den beiden aneinandergrenzenden Wohnzimmern mit geladenen Gästen oder Kanonsingen durch die den beiden Wohnungen gemeinsame Wand thematisierten die symmetrische Architektur der Wohneinheiten. An zwei Tagen - während und zum Ende der Projektphase - wurden die Räumlichkeiten für Gäste zu Ortsbegehung und Arbeitsbesprechung geöffnet; wurden Prozesse sichtbar gemacht und vor Ort entstandene Arbeiten gezeigt.

Anfang März sollten die Mietwohnungen wieder an den Eigentümer übergeben werden: Dazu wurden die Spuren unseres Arbeitens weitestgehend beseitigt. Rückbauen, Überstreichen, Auslöschen: Wie wir den Raum Anfang Januar vorgefunden hatten, so verließen wir ihn nun wieder. Es bleiben uns Erfahrungen, Eindrücke und Denkansätze zu Raum, Gruppenprozessen, Organisation und nachbarschaftlichen Begegnungen.Die

Die Gruppe

RaumZeit sind 8 Studierende im 3. Studienjahr aus unterschiedlichen Fachgebieten der Burg Giebichenstein HfKuD Halle.

  • Marianne Nagel (Grafik/Buchkunst)
  • Lukas Wronski (Bildhauerei/Metall)
  • Magdalena Rude (Kunstpädagogik)
  • Luise von Rohden (Kunstpädagogik)
  • Anton Schumann (Bildhauerei/Figur)
  • Karla Katja König (Kunstpädagogik)
  • Eva Storms (Bildhauerei/Figur)
  • Caroline Sell (Zeitbasierte Künste)

Gefördert wurde das Projekt

durch den Freundes- und Förderkreis der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle e.V., den Studentenrat der Burg Giebichenstein,sowie von der Halleschen Wohnungsgenossenschaft Freiheit eG.

Für die beratende Begleitung danken wir herzlich Prof. Stella Geppert.