Lektüreseminar: Deborah Danowski u. Eduardo Viveiros de Castro: »In welcher Welt leben?« (2014)

Sage mir, an welchen Weltuntergang du glaubst, und ich sage dir, was deine Welt ist. So ließe sich das diagnostische Verfahren umreißen, dessen sich die Philosophin Deborah Danowski und der Ethnologe Eduardo Viveiros de Castro in ihrem gemeinsamen verfassten Buch „Ich welcher Welt leben?“ bedienen. Ausgehend von der aktuellen Diskussion um Anthropozän und Klimakrise unternehmen sie einen rasanten Lauf durch die Weltuntergangsszenarien und Endzeitvisionen der Moderne, von der Philosophie bis Hollywood und von der düstersten Resignation bis zum vorwitzigen Optimismus der „Akzelerationisten“. Schon aus dieser Geisterbahn der apokalyptischen Visionen lässt sich viel über das Denken unserer Zeit erfahren. Da gibt es eine aufschlussreiche Neigung, den Untergang der eigenen, westlichen Zivilisation für das Ende der Welt zu halten, obwohl gerade diese Zivilisation am meisten dazu beiträgt, dem Leben auf diesem Planeten ein Ende zu bereiten. Spannend wird es aber vor allem, wenn die Autor:innen den abendländischen Untergangsvorstellungen eine Überlebensphilosophie entgegensetzen, die sich eng an den Weltsichten und Erfahrungen der indigenen Völker Brasiliens orientiert. 

Im Zentrum des Seminar wird die Lektüre des Buches stehen; um den Hintergrund der dort aufgeworfenen Diskussion um ›Anthropomorphismus‹ und ›Anthropozentrismus‹ zu verstehen, soll auch ein Blick in ethnologische Texte Viveiros de Castros geworfen werden, die seine Theorie des amerindischen Perspektivismus näher erläutern können. 

Text:

• Danowski, Deborah u. Viveiros de Castro, Eduardo: In welcher Welt leben? Ein Versuch über die Angst vor dem Ende (2014), Berlin: Matthes & Seitz, 2019.

Begleitlektüre:

• Eduardo Viveiros de Castro: »Die kosmologischen Pronomina und der indianische Perspektivismus«, Societe suisse des Americanistes /Schweizerische Amerikanisten-Gesellschaft, Bulletin, N° 61, 1997, 99–114.
• Eduardo Viveiros de Castro: »Perspektiventausch. Die Verwandlung von Objekten zu Subjekten«, in: Irene Albers und Anselm Franke (Hg.): Animismus. Revisionen der Moderne, Zürich: Diaphanes, 2012, 73–93.
• Eduardo Viveiros de Castro: Die Unbeständigkeit der wilden Seele, Wien, Berlin: Verlag Turia + Kant, 2016. (Auszüge)
• Bruno Latour: »Perspektivismus: ›Typus‹ oder ›Bombe‹?«, in: Irene Albers und Anselm Franke (Hg.), Animismus. Revisionen der Moderne, Zürich: Diaphanes, 2012, 67–70.