Präsentationvideo
Fassadengeschichten
Fassadengeschichten ist ein temporäres Sitzmöbel, dass sich in seiner Form auf die Geometrie eines Fassadenelementes bezieht
– Emilia Sonntag –
Der Bruchsee ist eine Naturoase in Halle-Neustadt, der durch den Abbau eines Kalkhügels entstand. Der Kalk wurde in der Zementherstellung genutzt. Heute liegt der See inmitten einer Betonlandschaft, die von Leerstand geprägt ist. Die Menschen haben den Ort verlassen, aber ihre Gebäude stehen noch immer. In diesem Spannungsfeld von sich stetig ändernder Natur und beständigem Beton ist mein Entwurf verortet. Ich möchte einen anderen Umgang mit dem Material aufzeigen, das einst auch aus dem See kam.
Die Formensprache des Sitzmöbels ist der Fassade eines nahe am See stehenden Hauses entlehnt, welche aus dreieckigen Prismen besteht. Zwei dieser Elemente ergeben in Kombination die Form des Liegestuhls. So wird ein Bezug zu dem Umgang mit Beton bzw. Muschelkalk in den umliegenden Gebäuden hergestellt. Dieser Umgang steht im Gegensatz zur nicht wetterbeständigen Materialität der Sitzgelegenheit – ein Gemisch aus Muschelkalk, Ton und Casein, welches durch die Benutzung und Witterung über die Zeit zerbröseln und mit den Menschen verschwinden wird.
Zum Verständnis meines Entwurfes ist die Geschichte des Ortes relevant: Die Überreste des Bergbaus in Halle-Neustadt kennt man heute als den Bruchsee.
Wegen des hohen Kalkvorkommens wurde hier 1890 eine Zementfabrik erbaut. Damals war an Stelle des heutigen Sees ein 30 Meter hoher Kalkhügel, der mit der Zeit für die Zementherstellung abgetragen wurde. Die schnell voranschreitende Industrialisierung trieb den Bedarf an Beton für die Bauwirtschaft und damit auch die Nachfrage für Kalk als zentralen Bestandteil von Zement. Als die Firma 30 Jahre später (1921) aufgrund von Unwirtschaftlichkeit schließen musste, blieb ein 18m tiefes Loch zurück – dieses füllte sich mit Wasser und der See entstand. Ein Furnierwerk siedelte sich an den Ufern des Sees an, später wurde er zum florierenden Freibad. In den 70ern sollte der See zum Naherholungsgebiet werden, allerdings wurden die Pläne dafür bis in die 80er nicht umgesetzt und der See vernachlässigt. In dieser Zeit konnte die Natur Einzug halten, weshalb der See später zum Naturdenkmal deklariert wurde. Heute ist der See eine grüne Oase inmitten HaNeus grauer Betonwelt: Diese vermeintlich gegensätzlichen Welten der natürlichen stetigen Erneuerung gegenüber der starren, artifiziellen Unveränderlichkeit haben doch in ihrer Verbindung zum Beton einen Berührungspunkt – Der Bau der umliegenden Gebäude und der im dafür nötigen Abbau entstandene See bedingen einander.
Inzwischen ist Neustadt vom Leerstand geprägt; Die Menschen sind verschwunden, doch die Gebäude sind immer noch da. Das hat mich inspiriert, in meinem Entwurf einen neuen, temporären Umgang mit dem Material aus dem See zu erkunden.
Neben dem See steht eines dieser für HaNeu typischen Gebäude. Dessen auffälligstes Merkmal ist eine betonierte Fassade, die aus dreieckigen Prismen zusammengesetzt ist. Die Geometrie des von mir entworfenen Sitzmöbels greift diese Form auf. Die Materialität ist allerdings in Bezug auf den temporären Aspekt modifiziert: Die Struktur besteht aus einer Mischung aus (Muschel-)Kalk, Ton und das Milchprotein Casein als Bindemittel. Dieses wird über die Zeit durch Witterung aus dem Stuhl gewaschen, sodass das Material zu bröseln beginnt und der Liegestuhl schließlich in sich zusammenfällt. Am Ende bleibt ein unscheinbarer Haufen Muschelkalk am Ufer des Sees zurück und der Kreislauf zwischen dem artifiziellen Gebilde und der natürlichen Umgebung des Sees schliesst sich.
Ort der Inspiration:
Bruchsee/ Graebsee
Material:
Muschelkalk-Ton-Gemisch
Verfahren der Herstellung:
Formguss
Zeitliche Komponente:
Durch Regen wird das Casein aus dem Material gewaschen und der Sitz fängt an zu bröseln und fällt schlussendlich in sich zusammen. Der Zerfallsprozess wird auch nochmal durch die Benutzung beschleunigt. Allerdings ist das Material sehr stabil und wird wohl einige Monate bis zum vollständigen Zerfall benötigen.
Ort der Inspiration:
Bruchsee/ Graebsee
Material:
Muschelkalk-Ton-Gemisch
Verfahren der Herstellung:
Formguss
Zeitliche Komponente:
Durch Regen wird das Casein aus dem Material gewaschen und der Sitz fängt an zu bröseln und fällt schlussendlich in sich zusammen. Der Zerfallsprozess wird auch nochmal durch die Benutzung beschleunigt. Allerdings ist das Material sehr stabil und wird wohl einige Monate bis zum vollständigen Zerfall benötigen.