Freie Klasse, Labor, Experimentierfeld, Werkstatt: Hochschule als Experiment, als Utopie: kein Lehrplan, kein Terminplan, keine ETCS-Punkte-Druck, keine Benotung.

Schwerpunktprojekt Editorial, Sommersemester 2016, Prof. Anna Berkenbusch, Dipl.-Des. Carla Streckwall

Wie sieht die ideale Hochschule aus, die der heutigen Lebenssituation von Kommunikationsdesignerinnen und -designer entspricht?

Die Rolle von Gestalterinnen und Gestaltern, egal in welcher Designdisziplin, hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Bachelor- und Master-Regelwerk, Vereinheitlichung und Modularisierung des Studiums machen (trotz einiger Vorteile) ein freies und selbst-bestimmtes Studium schwieriger. Strikte Aufgabenstellungen und ETC-Punkte-Jagd können  zu Verschulung und Unmündigkeit führen. Die Internationalisierung erfordert hohe Sprachkompetenz, viele Prozesse müssen gleichzeitig im Blick behalten werden und die sozialen Netzwerke verbinden nicht nur über Grenzen hinweg, sondern befördern auch die Entwicklung einer Konsensgesellschaft. Technische Fortschritte bewirken weitaus schneller als früher Neuerungen in der Arbeitswelt und Umbrüche in der Gesellschaft. 

Die Globalisierung verursacht die Abhängigkeit von weltweiten Wirtschaftszyklen, die die Arbeitsumstände und den Alltag weitgehend bestimmen.

Gestalter und Gestalterinnen sind von diesen Veränderungen ebenso betroffen wie die produktionstechnische Industrie. Wo Grafikdesigner früher Fachleute für Gestaltung in Buch- und Plakatform war, müssen sie nun auf weitaus mehr Kanälen agieren. Professionelle Kommunikation bzw. Kommunikationsdesign beschreibt heute ein deutlich größeres Arbeitsgebiet als es bspw. noch vor zwanzig Jahren der Fall war. Kommunikationsgestalter werden mehr und mehr zu Allround-Kommunikatoren. 

Eine Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten ist daher hohe Flexibilität, Vernetzung und vor allem Eigenständigkeit im Denken und Handeln. In einer Gesellschaft, in der sich Prozesse zunehmend kurzfristig verändern, ist eine offene, konzeptstarke und vor allem gemeinschafts-orientierte Haltung wichtig um handlungsfähig zu sein.

Wie werden Designerinnen und Designer heute ausgebildet?
Ist das Modell der heutigen Kunst- und Designhochschulen wirkungsvoll bzw zukunftsfähig?
Was wünschen sich Studierende von ihrer Ausbildungsstätte?

Die Frage nach der richtigen Ausbildung wurde auch in der Vergangenheit immer wieder gestellt, neue und ungewöhnlichen Lehr-Methoden wurden ausprobiert und innovative Schul-Konzepte entwickelt. Neben freien experimentellen Kurzzeit-Projekten werden als Vorbilder immer wieder die Konzepte des Bauhauses, des Black Mountain College oder auch der Hochschule für Gestaltung in Ulm genannt. 

Das Bauhaus in Deutschland, sowie auch das Black Mountain College in den USA, entwickelten in den 20er bis 60er Jahren Lehrmethoden, die das Individuum und seine ganzheitliche Entwicklung in den Mittelpunkt stellten. Althergebrachte Hierarchien und Regeln wurden aufgelockert oder im Black Mountain College sogar aufgelöst. Hier wurde das Experiment propagiert. „Our aim is a general development of an open-minded youth, seeking out the growing spiritual problems of our times.” Nach John Dewy wurde hier Kunst als Erfahrung gelehrt und das disziplinübergreifend. 

Welche Rolle spielt die Institution Kunsthochschule heute, in einer Welt, in der das Individuum so groß geschrieben wird wie noch nie zuvor, in der die gesellschaftlichen Probleme am anderen Ende der Welt auch die hiesige Gemeinschaft beeinflussen? Bewegen sich Hochschulen zu sehr in ihrem eigenen Kokon? Welche Modelle können entwickelt werden, um  Gestalter und Gestaterinnen in dieser Situation adäquat auszubilden und sie auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. 

Wie sieht die ideale Kunst- bzw. Designhochschule aus? 

Wir sehen uns die unterschiedlichen Schulmodelle aus der Vergangenheit an und besuchen eine Schule mit eigenem Lehrmodell. Da in diesem Projekt unabhängig von Punkte- und Notendruck gearbeitet werden soll, wird dieses Seminar im Sinne einer freien Klasse mit Einheitsnoten angeboten, d.h. Studierende werden das Seminar selbst organisieren und strukturieren, und Ziele definieren, d.h. sich überlegen, wie sie studieren wollen um auf die moderne Gesellschaft gut vorbereitet zu sein.