FUCK YOU vs. FUCK ME? Deutsche und Humor?
Eine visuelle Annäherung an eine Feindschaft

Schwerpunktprojekt Illustration, Sommersemester 2015, Prof. Georg Barber

Humor

Sommersemester 2015 Illustration

Mein Thema wird sich um Humor drehen. Humor hat es in den deutschen akademischen Gefilden ja nicht leicht. Selbst an der Burg, in einer Kunsthochschule finde ich ihn recht spärlich gestreut. Da brauche ich schon eine Lupe, um ihn zu entdecken. Dies ist kein vorzeigbarer Zustand, wo Humor doch eigentlich eine Voraussetzung für gute Kunst ist. Sogar beim zynischen Maler Martin Kippenberger konnte ich ihn finden. Der Künstler Erwin Wurm könnte fast einen Exporthandel mit seinem Humor aufmachen. Und selbst der berühmte Josef Beuys hatte unfreiwilligerweise Humor, als er 1982 seinen schrägen Anti-Atomkraft Song "Sonne statt Reagan" für die Grünen sang. Dennoch hat die deutsche und, nun ja recht trockene akademische Seriosität immer noch Probleme dem Humor die Hand zu schütteln, vor lauter Angst dann etwas von ihrer Seriosität einzubüßen.

Doch ich finde künstlerische Kreativität braucht etwas Humor. Ich finde auch, dass etwas Humor dem Studiengang KD gut tun würde. Dies fiel mir auf, als beim letzten Masterforum diese für mich recht gelungene humorvolle Illustrationsarbeit nicht richtig verstanden wurde. Persönlich glaube ich sogar, dass eine Gestaltung ohne Humor sich zu einer plumpen pädagogischen Gestaltungsmanifestation verirren kann. Deshalb wird sich der Schwerpunktbereich Illustration im kommenden Sommersemester mit der Witz-Illustration im weitesten Sinne widmen.

Gerade im Hinblick auf das letzten Semesterthema, wo es ja um den schlechten Geschmack ging kann man die Beschäftigung mit dem Humor als eine quasi Fortsetzung sehen. Denn, dass »Humor und schlechter Geschmack keine fremden Bettgenossen sind, sondern vertraute Ehepartner, deren skrupellose Machenschaften uns erfreuen – wider besseren Wissens und entgegen allen moralischen Bedenken und politisch korrekten Ansichten.« hat so schon Robert Mankoff formuliert, der für die Cartoons zuständige Redakteur beim »New Yorker«.

So läuft der Schwerpunktkurs Illustration unter dem Titel:

Deutsche und Humor?

Eine visuelle Annäherung an eine Feindschaft

Da der Kurstitel für mich immer noch etwas langweilig und trocken klingt, habe ich noch den Untertitel »FUCK YOU vs. FUCK ME?« ran gehangen, weil dieser Cartoon von einen ehemaligen Studenten, Brecht Vandenbroucke,  mein derzeitige Lieblingscartoon so heißt und sich letztendlich im Leben oder im Studium jeder überlegen sollte, zu welchem Lager er gehört: zur FUCK YOU – oder zur FUCK ME-Fraktion?

Also:

FUCK YOU vs. FUCK ME? Deutsche und Humor?

Eine visuelle Annährung an eine Feindschaft

Da stellt sich die nächste Frage: »Kann man Witzzeichnung studieren?«

Ich glaube es eigentlich nicht, aber ein Versuch ist es alle Mal wert. Weil ich aber selbst eher ein Künstler mit einem polternden, bärigen und nicht gerade feindiplomatischen Berlinhumor bin, habe ich viele meiner Kollegen der humoristischen Zunft eingeladen. Wenn es klappt, und alle eingeladenen und angesprochenen Gäste sich wirklich auf dem Weg nach Halle machen, könnte der Illustrationskurs wohl zu einer Deutschland- und Hochschulweit einzigartige Humorzusammenrottung werden.

So sind mit dabei:

Michael Sowa

Der Siebzigjährige Künstler und Illustrator ist vor allem bekannt aus der Titanic, vom Esterhazy und Der kleine König Dezember, gefeiert in Japan mit gigantischen Ausstellungsbesucherzahlen und berühmt durch das Set-Design vom französischen Erfolgsfilm Die wunderbarer Welt der Amelie, mehrfach preisgekrönt und ausgezeichnet und zum ersten Mal überhaupt an einer deutschen Kunsthochschule. Ich freue mich sehr, dass er zugesagt hat.

Zugesagt hat auch Til Mette, bekannt mit seiner Cartoon-Seite im Stern. Er selbst ist ein so übersprudelnder Charakter, der problemlos drei Hörsäle gleichzeitig und tagelang unterhalten könnte. Er wird sich in Halle mit einem Vortrag, einer Gesprächsrunde und einen Mini-Workshop vorstellen.

Ebenfalls mit dabei, mein bester Freund und Kollege Fil. Gerade wird er vom deutschen Feuilleton hofiert mit seinem ersten Roman Pullern im Stehen über seine Jugend im Märkischen Viertel. Doch berühmt wurde er durch seine Comicserie Didi & Stulle im Berliner Stadtmagazin Zitty und vor allem durch die Fil & Sharky-Show mit seiner Hai-Handpuppe.

Passend zum Thema ist eingeladen der Arzt, Schriftsteller und seit neusten auch Barbesitzer Jakob Hein. Denn zusammen mit dem Autor Jürgen Witte hat er voriges Jahr eine bewundernswerte Abhandlung mit dem Titel Deutsche und Humor verfasst, die allererste Abhandlung über das Thema überhaupt. Also eine sogenannte Fachkoryphäe.

Ich freue außerdem, dass der Berliner Autor AHNE mit von der Partie ist. Er ist der Skinheadartige Frontmann der Surfpoeten und besitzt in Berlin und Brandenburg durch seine Serie Zwiegespräche mit Gott Kultstatus.

Ebenfalls hat sich der Berliner Comiczeichner MAWIL für einen unterhaltsamen Workshop angekündigt. Gerade erst wurde in Erlangen sein lustiges dreihundertseitiges Comic Kinderland  über eine Kindheit in der DDR preisgekrönt.

Und damit der Humor nicht all zu sehr aus der Hauptstadt dominiert wird, habe ich den diesjährigen Göttinger Elch- Preisträger eingeladen. Aus der bayrischen Metropole München wird der Cartoonist und Komischer Bildermaler Rudi Hurzlmeier für 2 Tage Vortrag & Workshop nach Halle kommen.

FUCK YOU versus FUCK ME? Deutsche und Humor?

Eine visuelle Annährung an eine Feindschaft

 

Was das Kursthema möchte, und die Kursidee hatte ich schon lange vor den Anschlägen in Paris auf Charlie Hebdo, dass wir gemeinsam theoretisch und vor allem praktisch über die humoristische Zeichnung nachdenken werden. Da stellen sich für den Illustrationsbereich folgende Fragen und Themen:

  • Ab wann ist eine Zeichnung nur absurd oder komisch?
  • Warum ist der deutsche Humor, wie z.B. Otto, Uli Stein, Didi Hallervorden, Mario Barth und Harald Schmitt so spießig und piefig?
  • Wie oder Was ist deutscher Humor? Konkreter: Wie oder Was macht eine humoristische Witzzeichnung aus?
  • Der Zeichner als Narr und Spinner
  • Die Geschichte und Kultur der Witzzeichnung
  • Denken und Lachen? Besaß Goethe Humor?

Ein besonderes Jubiläum, auf das eingegangen werden soll ist ein ebenfalls Anlass für den Kurstitel. Denn genau vor 150 Jahren, am 4. April 1865 erschienen zum ersten Mal die 7 Streiche von Max & Moritz. Gezeichnet und gereimt von Wilhelm Busch. Der Klassiker des deutschen Humors schlechthin. Nebenbei noch der Vorreiter für das Comicmedium. In Deutschland, dem Land der Dichter, können viele sich kaum an die Bilder erinnern, aber die Versreime werden sofort auswendig rezitiert, hier ein leicht verändertes Beispiel:

Also lautet ein Beschluss,
Dass der Student was lernen muss.
Nicht allein der Goldene Schnitt
Bringt den Grafiker in den Tritt;
Nicht allein im Zeichnen, Malen,

Übt er sich ohne zu Prahlen;
Nicht allein in Typosachen
Soll der Student sich Mühe machen,
Sondern auch der Komik Lehren
Muss man mit Vergnügen hören.