Rückblick: Werkschau Mode 2022

Die Studienrichtung Mode zeigte am Freitag, 15. Juli 2022, nach zwei Jahren Pandemie-Pause, im Volkspark Halle Semester- und Abschlusskollektionen.

Werkschau Mode 2022, Foto: Iona Dutz

Zur Eröffnung der Jahresausstellung der BURG am Freitag, 15. Juli 2022, erlebten über 1.000 Gäste die Werkschau der Mode 2022 im vollbesetzten Großen Saal des Volkspark Halle. Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause zeigten die Mode-Studierenden ihre Semester- und Abschlusskollektionen. Zahlreiche Interessierte nutzten zudem die Möglichkeit, die Werkschau der Mode bei der Liveübertragung im Garten des Volkspark Halle zu verfolgen. Der Laufsteg wurde für die Besucher*innen nach draußen in den Biergarten erweitert.

Die diesjährigen Designprojekte widmeten sich vor allem der gesellschaftlichen Aufgabe der Mode und gingen unter anderem von Themen und Fragestellungen aus wie Is Fit Modern? – Passform als Dilemma der Ressourcen und Realitäten oder beschäftigen sich mit der Nachhaltigkeit von Mode. Daneben hinterfragten die Projektthemen der Studierenden aktuelle Konzepte und Phänomene wie Body-Positivity, Size-Inclusivity, Diversity, Gender-Neutralität und Hyper-Customization.

Unter der Leitung des Professor*innenteams Prof. Lars Paschke, Gastprof. Evelyn Sitter sowie Gastprof. Franziska Schreiber und den künstlerischen Mitarbeiter*innen Gesine Försterling und Dominik Cosentino, lag in diesem Jahr ein besonderer Fokus auf der Auseinandersetzung mit dem Neuen und dem Alten, auf Blicke in die Vergangenheit, die Hinwendung zu aktuellen Tendenzen und der Frage nach der Zukunft und welche Verantwortung Modedesigner*innen tragen. Ausgehend von diesen Themenschwerpunkten wurden in den Projekten zu einem Großteil Altkleider verwendet. Im Rahmen der Projekte Brand:New und MONO.Q.T.CORE unternahmen die Projektgruppen eine Exkursion zu der weltweit größten Sammel- und Sortieranlage SOEX in Bitterfeld und erhielten einen Einblick in die Abläufe, Lagerung und Sortierung von Altkleidern. Um den Studierenden sowohl den Austausch mit anderen jungen Designer*innen als auch die Anknüpfung an die Industrie zu ermöglichen, wurden unterschiedliche Vorträge und Gespräche mit international agierenden Designer*innen initiiert.
Beispielsweise hatten die Studierenden in diesem Semester die Möglichkeit, mit dem Modedesigner Bobby Kolade in den Dialog zu gehen und sich mit ihm über sein neues Label BUZIGAHILL auszutauschen. Kolade ist Co-Moderator der ugandischen Podcast-Serie VINTAGE OR VIOLENCE und hat dieses Jahr sein Label BUZIGAHILL in Kampala, Uganda eröffnet, das ausschließlich mit Altkleidern arbeitet.

Designprojekte
Die Studienrichtung widmete sich in diesem Jahr in einigen Projekten dem Redesigning von Secondhand-Bekleidung sowie den Dynamiken der Wertekonstruktion in der Mode. Zudem gab es in einzelnen Projekten eine starke Hinwendung zum Handwerk und verschiedenen textilen Technologien, die als eine Art Bindeglied zwischen dem Neuen und dem Alten fungieren.

React
Was bewegt euch gerade? Wofür steht ihr ein? Woran möchtet ihr Kritik üben? Was liebt ihr? Unter der Betreuung von Gesine Försterling und Dominik Cosentino hatte sich das
1. Studienjahr mit von ihnen persönlich geschriebenen Manifesten beschäftigt. Die Aufgabe für die Studierenden war es, Bekleidung nicht nur in ihrer schützenden Funktion, sondern als nonverbales Kommunikationsmittel zu betrachten. Dabei sollten sie nur gefundene Materialien benutzen und neue Verbindungstechniken erprobt werden.

Fiction & Friction
In dem Projekt, betreut von Prof. Lars Paschke, Gastprof. Franziska Schreiber, Gesine Försterling und Dominik Cosentino, wurde mittels einer Bildrecherche von den Studierenden eine fiktive Person oder Figur kreiert. Passend zum Narrativ und zur Atmosphäre dieser Figur sind Bildcollagen entstanden. Mit einer anschließenden Dekonstruktionsaufgabe und einer historischen Recherche wurden, passend zu dieser Figur und ihrer Atmosphäre, gefundene oder erworbene existierende Kleidungsstücke inhaltlich und formell analysiert, dekonstruiert, neu komponiert und auf dieser Grundlage ein neuer Entwurf generiert.

Replay
Die alltägliche Omnipräsenz von Bekleidung aus dem Fast Fashion und High-Street-Segment, die insbesondere durch ihre ökonomisch sinnvolle Gestaltung geprägt ist, führt mitunter zu fehlerhaften Rückschlüssen auf die Konstruktion von Bekleidung, die dem Luxussegment entstammt. In dem Projekt Replay, welches durch Prof. Lars Paschke, Gastprof. Evelyn Sitter, Gesine Försterling und Dominik Cosentino betreut wurde, haben Studierende methodisch durch reverse engineering eine Auswahl historischer Silhouetten in kleinen Gruppen originalgetreu umgesetzt. Eine zweite Rechercheaufgabe beschäftigte sich mit der Genese besonders erkennbarer textiler Muster, für die jeweils die Herkunft eines ausgelosten textilen Musters recherchiert wurde. Es ergaben sich verschiedene Themen, wie ökonomische und politische Umstände oder kulturellen und globale Verflechtungen.

Is Fit Modern?
In diesem Entwurfsprojekt, unter Betreuung von Gastprof. Franziska Schreiber und Dominik Cosentino, fand eine gestalterische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Passform statt. Die Studierenden vertiefen ihr Verständnis von Körper, Kleidung und Modekörper als kontextabhängige, soziale und kulturelle Phänomene  und die Rolle und Wirksamkeit von Mode und ihren Designenden im Kontext der Körperkonstruktion untersucht und reflektiert. In diesem Rahmen entwickelten sie eigene Qualitätsparameter für die Gestaltung in Bezug auf Passform und trugen so zu einer inklusiven Praxis bei. Cerruti konnte als Sponsor für das Projekt gewonnen werden und hat die Studierenden mit verschiedensten Wollstoffen unterstützt.

InterLace
Wie spiegelt sich im Umgang mit der Silhouette unsere Vorstellung von Ästhetik und damit auch von Schönheit und Körpern wider? Zu Beginn des Projektes, betreut von Prof. Lars Paschke und Gesine Försterling, haben die Studierenden ihre Perspektiven auf einen individuellen Schönheitsbegriff verfasst. Beispielhaft wurden historische Silhouetten, sowie Secondhand-Kleidungsstücke recherchiert, die dem persönlichen Schönheitsbegriff entsprechen und auf ihre Potenziale für einen gestalterischen Transfer befragt wurden. Durch diese Methode wurde sich einem weiteren Thema angenähert: Mode und Zeit und insbesondere dem unlinearen, zyklischen Zeitverlauf, sowie der uchronischen Zeit, der Zeit einer unbestimmten Zukunft in der Mode.

Brand:New
Was befindet sich im Archiv, was sind wichtige Narrationen der Mode heute oder in der Vergangenheit und welche Gedanken haben Studierende diesbezüglich für ihre eigenen Projekte? In diesem Projekt haben sich Prof. Lars Paschke und Dominik Cosentino gemeinsam mit den Studierenden dem Wert und der Wertedifferenz als treibende Kraft der Innovation zugewendet. Das Neue ist somit nicht schlichtweg das Andere, das Freie oder Individuelle, sondern konstituiert sich durch einen Vergleich zwischen Bestand und Intention. Inhaltlich kontrastierend wurde in diesem Projekt mit Altkleidern und Upcyclingmethoden gearbeitet.

MONO.Q.T.CORE
„Cute“ kann gerade viel sein – in Kleidung, Verhalten, Geste. Als Modewort scheint es an allen möglichen Stellen als Bewertung zu passen, wenn das Süße, Kindliche, Naive auch einen zweiten Beigeschmack hat: Nach Autor Simon May strahle das cute Objekt zudem Bitteres, Groteskes, Bedrohliches, Uneindeutiges aus und übe so eine besondere Macht über den Betrachter*in und potenziellen Konsument*in aus. In dem Projekt MONO.Q.T.CORE, welches von Gastprof. Evelyn Sitter und Gesine Försterling betreut wurde, arbeiteten die Studierenden mit Hilfe von Strategien des Cuten an Proportionen, Silhouetten und Volumen, die von Süß zu Bedrohlich, Kindlich zu Grotesk etc. kippen oder auf den Grenzen wandern, und das nur mit Verwendung von Altkleidern, die unter dem Kriterium des Monochromen eingesetzt wurden.

Absolvent*innen
Die Bachelor- und Masterstudierenden setzten sich mit sehr vielseitigen Themen auseinander, die ein breites Spektrum verschiedenster Sichtweisen aufzeigen, wie man Mode, Modekörper und die Aufgabe, die Mode in unserer Gesellschaft betrachten und auf inhaltliche, künstlerische und ästhetische Weise bearbeiten kann. Mode als Archiv von Erinnerungen, Mode als Protestbewegung, die kritische Frage nach Norm, Standard und Schönheitsidealen und die Mode als digitales Medium bildeten den thematischen Ausgangspunkt für die Abschlussarbeiten.

Zur Veranstaltung
Die Werkschau der Modestudierenden findet traditionell zweimal im Jahr, jeweils zum Abschluss des Winter- und Sommersemesters, statt. Die Veranstaltung gehört zu den Höhepunkten des akademischen Jahres und ist ein fester Programmpunkt am Eröffnungsabend der Jahresausstellung an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Unter professionellen Bedingungen gibt sie den angehenden Designer*innen die Möglichkeit, Mode zu einem gesellschaftlich relevanten Thema zu entwerfen und diese auf dem Laufsteg einem großen Publikum vorzustellen. Die letzten beiden Jahre konnte sie aufgrund der Corona-Pandemie nicht umgesetzt werden.