Preisträger der GiebichenStein Designpreise 2017

Zur Ausstellungseröffnung aller für den GiebichenStein Designpreis nominierten Arbeiten wurden die diesjährigen Gewinner in fünf Kategorien ausgezeichnet sowie drei Sonderpreise vergeben.

Die Preisträger des GiebichenStein Designpreises 2017
Foto: Michel Klehm, Max Méndez

Zur Eröffnung der Ausstellung aller für den GiebichenStein Designpreis nominierten Arbeiten wurden am Mittwochabend, 11. Oktober 2017 die diesjährigen Gewinner in fünf verschiedenen Kategorien ausgezeichnet sowie drei Sonderpreise vergeben.

Die Trophäe aus rotem Porphyr – dem Gestein jenes Massivs, auf dem die Burg Giebichenstein über der Saale thront – erhielten in der Kategorie „Beste Idee / Bestes Konzept“ Insa Deist, Lila Steinkampf und Anni Greunig (Kommunikationsdesign) für „Virtual Memory“. In der Kategorie „Beste Kommunikation“ überzeugte „Vilém“ von Joseph Thanhäuser (Editorial Design). Jihee Lee und So Jin Park (Kommunikationsdesign) erhielten für ihr Projekt „I am Angry: Alltäglicher Rassismus und Fremden¬feindlichkeit gegenüber Asiat_innen“ den GiebichenStein Designpreis in der Kategorie „Engagiertestes Anliegen“. Für die Arbeit „nutrient solution – growing algae with spit and breath“ wurden Ina Turinsky und Andreas Wagner (Industrial Design) in der Kategorie „Interessantestes Experiment“ ausgezeichnet. Aus allen nominierten Arbeiten wurde vom Freundes- und Förderkreis der Hochschule das Projekt „Crude Oil“ von Veronika Schneider (Industriedesign) für den „GiebichenStein der Freunde“ ausgewählt.

Dazu wurden drei Sonderpreise vergeben. Den von Culturtraeger gestifteten GRASSI Nachwuchspreis erhielt dieses Jahr das Projekt „sitzen stehend Leute“ von Amélie Ikas und Chris Walter (Industriedesign). Die Arbeit wird von Culturtraeger GmbH angekauft und in die Sammlung des GRASSI Museums Leipzig aufgenommen. Darüber hinaus wählte das Stadtmuseum Halle die Arbeit „Erde Wachs Stift“ von Benno Brucksch (Industriedesign) aus, um sie für ein Jahr in seiner ständigen Ausstellung zu präsentieren. Zudem wurde der in diesem Jahr zum ersten Mal vergebene Preis der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt verliehen: Ausgezeichnet wurden „Die flotten Lotten“ von Anna Rüffer, Leonard Ziemer (beide Innenarchitektur) und Miriam Treml (Industriedesign).
Die Präsentation aller Preisträgerwerke sowie der nominierten Projekte ist noch bis zum 1. November 2017 in der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt zu sehen. Bereits zum sechsten Mal wurden die GiebichenSteine damit an herausragende Projekte im Fachbereich Design vergeben. Jeder der fünf GiebichenSteine ist durch den Freundes- und Förderkreis der BURG mit 500 Euro Preisgeld dotiert, zudem werden alle nominierten Arbeiten in das Hochschularchiv aufgenommen.

Die Preisträger der GiebichenStein Designpreise 2017

In der Kategorie Beste Idee / Bestes Konzept wurden Insa Deist, Lila Steinkampf und Anni Greunig (Kommunikationsdesign) mit einem GiebichenStein für ihre Arbeit „Virtual Memory“, betreut von Prof. Matthias Görlich, ausgezeichnet. In Zusammenarbeit mit der NGO Hafıza Merkezi sind zwei Arbeiten entstanden, die auf die unterdrückte kurdische Erinnerungskultur aufmerksam machen sollen.
In dem Onlineprojekt schaffen die Studentinnen durch die Manipulation von Google Photosphere-Bildern zehn Erinnerungsorte im virtuellen Raum, die über Google Maps zu finden sind: Im Rahmen ihres Projekts luden sie bearbeitete Bilder auf die weltweite Plattform hoch, auf denen zehn Platzhalterobjekte für mögliche Mahnmale zu sehen sind. Diese sollen an zivile Opfer in der kurdischen Region der Türkei erinnern, die bei Ausgangssperren in den Jahren 2015 und 2016 durch Militärinterventionen ums Leben kamen.
Auf ihrer Website virtual-memory.org machen Insa Deist, Lila Steinkampf und Anni Greunig zudem ein zerstörtes Denkmal virtuell wieder sichtbar. Dieser Anfang 2017 in der türkischen Stadt Diyarbakır abgerissene Erinnerungsort gedachte 34 kurdischstämmigen Zivilisten, die 2011 Opfer eines Luftwaffenangriffs des türkischen Militärs geworden waren. Auf der Onlineplattform wurde nun das Mahnmal mittels eines dreidimensionalen Models rekonstruiert. Auf diese Weise ist das verloren gegangene Original nun ortsunabhängig virtuell erfahrbar und als Erinnerungsort wieder zugänglich.
In der Kategorie Beste Kommunikation gewann Joseph Thanhäuser (Editorial Design) mit dem Werk „Vilém“, betreut von Prof. Andrea Tinnes und der künstlerischen Mitarbeiterin Anja Kaiser. Die Arbeit befasst sich mit dem Grenzbegriff nach Auffassung des Medienphilosophen Vilém Flusser. Diese besagt, dass sich zwei Phänomene nicht durch eine strikte Linie voneinander trennen lassen, sondern dass der Übergang als Schwellenbereich zu verstehen ist, in dem sich Dinge kreuzen und vermischen. Joseph Thanhäuser greift diese Theorie inhaltlich auf und wendet sie auf die Diskussionen um den Mauerbau zwischen den USA und Mexiko an. Er nutzt hierfür die Argumentation des US-amerikanischen Präsidenten und dekonstruiert diese visuell und inhaltlich: In einem Heft und auf Plakaten wird Trumps Grenzdefinition infrage gestellt und durch Thanhäuser neu formuliert. Gleichzeitig wird für die Gestaltung einer neuen Schrift die Theorie von Flusser angewendet: Entstanden ist eine Schrift in fünf Schnitten, welche sich immer weiter auflöst. Der ursprüngliche Schriftentwurf basiert auf der Schriftart Venus, welche Verwendung in der Kartografie fand.
Der GiebichenStein der Kategorie Engagiertestes Anliegen ging an das Projekt „I am Angry: Alltäglicher Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gegenüber Asiat_innen“ von Jihee Lee und So Jin Park (Kommunikationsdesign), betreut von der Lehrbeauftragten Gesine Grotrian und der künstlerischen Mitarbeiterin Carla Streckwall. Im Rahmen des Hauptprojektes „Wut“ im Editorial Design haben Jihee Lee und So Jin Park sich mit alltäglichem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gegenüber Asiat_innen und asiatisch aussehenden Menschen auseinandergesetzt und die Website www.iamangry.de gestaltet. Diese bietet eine Plattform, um allgemeine Informationen zu dem Thema und persönliche Erlebnisse zu sammeln, für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Diskussion dazu auch an der BURG zu fördern. Die Website visualisiert auf verschiedenen Ebenen ein ständig wachsendes Archiv, da durch die Nutzer der Seite eigene Erfahrungen ergänzt werden können. Die bereits vorhandene Fülle an Beiträgen auf der Website zeigt die Brisanz des Themas auf.
Im Laufe des Projektes wurde darüber hinaus eine Gruppe von Betroffenen und Interessierten gegründet, um Vorfälle und den Umgang damit gemeinsam zu diskutieren. Die Thematik wurde durch Plakate im Hochschulrahmen sowie online sichtbar gemacht.
Für die Arbeit „nutrient solution – growing algae with spit and breath“ wurden Ina Turinsky und Andreas Wagner (Industrial Design) in der Kategorie Interessantestes Experiment mit einem GiebichenStein ausgezeichnet. Die von Prof. Mareike Gast, der künstlerischen Mitarbeiterin Anja Lapatsch und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Karl Schikora betreute Arbeit beschäftigt sich mit der Züchtung von Algenkulturen. Die negativ konnotierten Beiprodukte des menschlichen Körpers enthalten eine Reihe nützlicher Substanzen. Die Studierenden konstruierten eine Vorrichtung, die die Entstehung und das Wachstum von essbaren Algenkulturen durch die Kombination von Licht, Speichel und Atemluft befördert. Durch die tägliche Dosis dieser körpereigenen Nährstoffe wird die Kultur „gefüttert“ und ist nach zehn bis 14 Tagen verzehrbar.
Aus allen nominierten Arbeiten wurde vom Freundes- und Förderkreis der Hochschule das Projekt „Crude Oil“ von Veronika Schneider (Industriedesign) für den GiebichenStein der Freunde ausgewählt. Das von Gastprofessor Matthias Ries und dem künstlerischen Mitarbeiter Philipp Stingl betreute Projekt stellt Erdöl in eine Reihe mit sammelnswerten Luxusgütern wie Münzen oder Wein. Dabei stellt die Designerin insbesondere Wert, Inszenierung von Wert und Wertschätzung von Erdöl in der heutigen Zeit zur Debatte. Einerseits handelt es sich um einen endlichen wie auch teuren Rohstoff, der in seiner Form jedoch eher unscheinbar ist und uns andererseits in Produkten tagtäglich begegnet. Veronika Schneider hat deshalb Erdöl aus unterschiedlichen Regionen in kleine Flaschen gefüllt, versiegelt und mit Geschichten über die Herkunftsölfelder angereichert, die in ihrer Aufmachung beispielsweise an Whiskey- oder Weinflaschen erinnern. Dabei lässt sie bewusst offen, ob es sich um eine Kritik oder ein ernst gemeintes Geschäftsmodell handelt.
Den von der culturtraeger GmbH gestifteten GRASSI Nachwuchspreis erhielt dieses Jahr das Projekt „sitzen stehend Leute“ von Amélie Ikas und Chris Walter (Industriedesign). Die von Vertretungsprofessorin Judith Seng betreute Arbeit wird angekauft und in die Sammlung des GRASSI Museums Leipzig aufgenommen. „Sitzen stehend Leute“ ist ein Ort, welcher Begegnungen schafft: In Form einer überdimensionalen Fahrradkette ist die Sitzgelegenheit in ihren Gliedern verformbar, um so der Divergenz menschlicher Kommunikation gerecht zu werden. Die Flexibilität unterstützt und gestaltet verschiedenste Situationen von Gesprächen und schenkt diesen zugleich eine Form. Ähnlich wie Gestik oder Mimik unterstreicht der Platz die Form des Gesprächs: Er kann Anlass sein und zugleich dazu einladen, ein weiteres Gespräch zu beginnen und diesem eine neue Gestalt zu verleihen.
Das Stadtmuseum Halle verlieh seinen Sonderpreis an die Arbeit „Erde Wachs Stift“ von Benno Brucksch (Industriedesign), um sie für ein Jahr in ihrer ständigen Ausstellung zu zeigen. Das von Prof. Guido Englich betreute Projekt befasst sich mit den verschiedenen Bedeutungen und Erscheinungsformen von Erde. Diese stellt Brucksch mittels Wachsmalstiften dar, einem relativ einfach hergestellten Produkt. Benno Bruckschs Manufaktur erlaubt es, in kleinen Mengen aus unterschiedlichen Erden individuelle Stifte zu produzieren. Das Projekt „Erde Wachs Stift“ holt auf diese Weise Erde verschiedenster Orte aus der Tiefe und mischt sie mit Wachs. Die Wachsstifte geben eine neue Sicht auf unsere Umgebung.

Die Kunststiftung Sachsen-Anhalt verlieh zudem erstmals einen eigenen Preis, der für mutige Formen der Teilhabe im öffentlichen Raum vergeben wird und mit 500 Euro dotiert ist. Hierfür wurde in diesem Jahr die Arbeit „Die flotten Lotten“ von Anna Rüffert, Leonard Ziemer (beide Innenarchitektur) und Miriam Treml (Industriedesign) ausgewählt. Unter Betreuung von Prof. Klaus Michel, Prof. Guido Englich und den künstlerischen Mitarbeiterinnen Ann-Kristin Büttner und Johanna Padge entwickelten die Studierenden einen mobilen Essensstand für das Kollektiv „FoodnotBorders“: Dieses kocht gegen Spende auf verschiedenen Veranstaltungen, um antirassistische und soziale Projekte zu unterstützen. „Die flotten Lotten“ erleichtern zugleich den Transport, Kochprozess und die Essensausgabe. Dabei schaffen sie einen Raum, der dazu einlädt, in Gesellschaft zu essen und am Stand zu verweilen. Eine integrierte Dachkonstruktion bietet Schutz vor Sonne und Regen. Um Mobilität unabhängig von Autos zu schaffen, entwickelten die Studierenden drei Fahrradanhänger. Durch das Aufteilen der Küche in Koch-, Wasch- und Tischmodul lassen sich verschiedenste Konstellationen bilden und an die örtlichen Gegebenheiten anpassen.
Jury
Die Arbeiten wurden von einer externen Jury aus 19 nominierten Projekten ausgewählt. Der Jury 2017 gehörten an: Uli Budde (Industriedesigner, Berlin), Prof. Pelin Celik (Industriedesignerin, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin), Prof. Ilka Helmig (Kommunikationsdesignerin, FH Aachen) und Nadia Schrader (Innenarchitektin und Bühnenbildnerin, Berlin).
GiebichenStein Designpreise 2017
Ausstellungsdauer: 12. Oktober bis 1. November 2017
Ort: Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt, Neuwerk 11, 06108 Halle (Saale)
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 14 bis 18 Uhr, 31. Oktober 11 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr
Eintritt: Der Eintritt ist kostenfrei