Eruption – Hommage an Conrad Schnitzler
im Pudel Club Hamburg, 2018
Der Hamburger Pudel Club feiert ein zweitägiges Happening um den Musiker Conrad Schnitzler.
Conrad Schnitzler – Pionier der elektronischen Avantgarde-Musik – arbeitete in den ersten Jahren seiner künstlerischen Laufbahn an einer Marathon-Aufführungspraxis: In seinem kurzlebigen, aber legendären Zodiac Free Arts Lab in Berlin Ende der sechziger Jahre führte er sein Publikum in einen Wirbelwind sensorischer Erfahrungen: Konzerte, Installationen, Videos und Performances interagierten miteinander und wurden zu Events, die noch heute in den Augen ihrer Besucher ein Funkeln hervorrufen.
Am 4. und 5. Juli 2018 – öffnete der Golden Pudel Club bereits am Nachmittag seine Türen und verwandelte sich weiter in die Nacht –zu einer Klanggalerie, einem Konzertraum, einem Popup-Shop für Tonbänder, natürlich einem Club und vielleicht sogar in einen Friseursalon …
Felix Kubin
bringt grafische Partituren von Conrad Schnitzler zum Klingen
4. Juli 2018 im Pudel Club
Felix Kubin gehört zu den dynamischsten und vielseitigsten Performern zeitgenössischer elektronischer Musik. In der Aufbruchstimmung der Home-Recording-Ära begann er mit 12 Jahren, seine ersten Tonexperimente auf einem 4-Spur-Gerät aufzunehmen. Danach breitete sich sein Universum kontinuierlich aus und umfasst heute futuristischen Pop, Hörspiele, elektroakustische Musik, Lecture Performances und Orchesterkompositionen. Felix Kubins Musik ist durchtränkt vom Enthusiasmus für disharmonischen Pop, industriellen Lärm und die Avantgardemusik des 20. Jahrhunderts. In den letzten 20 Jahren hat er viele Alben mit immer wieder überraschenden konzeptionellen Ansätzen veröffentlicht und weltweit Konzerte gespielt.
Les Trucs
Portable Performance – Hommage an Conrad Schnitzler
am 4. Juli 2018 im Pudel Club
Les Trucs sind zwei Menschroboter und eine Menge elektronischer Gerätschaften. Halb Fleisch, halb Draht. Halb Experiment, halb Pop. Nach Eskapaden in Theater- und Performance und diversen Soloprojekten beehren Les Trucs die Welt mit neu erlerntem Wissen und Fähigkeiten wieder mit ihren konzertanten Interventionen. In erprobter Manier, aus der Mitte des Raumes heraus agierend, baut das Mensch-Maschinen-Kollektiv eine Kulisse aus Geräusch, Text, Komposition und Dance.
Seit 2008 firmieren Charlotte Simon und Toben Piel gemeinsam unter dem Namen Les Trucs. Ursprünglich als reines Bandprojekt begonnen, entwickeln sie Performances, Theaterstücke und Videos. Ob Klangkonzepte für urbane Orte, Kompositionen für einen sich bewegenden Zettelchor oder ein Science-Fiction-Performance-Zyklus, ihre eigenen Arbeiten finden stets in Auseinandersetzung und Inbezugnahme der sie umgebenden Räume statt und werden in DIY-, genauso wie Kunstkontexten präsentiert.
Conrad Schnitzler – Premier Con/Tact
Film von Julien Perrin (2008)
Conrad Schnitzler (1937-2011)
Wer war Conrad Schnitzler – und ist das überhaupt die richtige Frage? Viel eher lässt sich danach fragen, wer und was er nicht war. Schnitzler begann als Maschinenbauer, war dann der erste Student von Joseph Beuys, zog anschliessend von Düsseldorf nach Berlin. Von Beuys hatte er seine Berufsbezeichnung mitgebracht: „Intermedialist” – er war Musiker, Komponist, Video- und Konzeptkünstler und gilt bis heute als einer der bedeutendsten Wegbereiter der elektronischen Avantgarde-Musik, beginnend in den frühen 1970er-Jahren.
Schnitzler verschaffte der Legende nach Kraftwerk ihren ersten Synthesizer, war Gründungsmitglied der einflussreichen Krautbands Tangerine Dream und Kluster, Mitbegründer des legendären Zodiac Free Arts Lab in Berlin, fiel am Rande der ars electronica und der Documenta mit irrwitzigen Avantgarde-Performances auf und hat mit seinen Solowerken, wie auch mit seinen unzähligen Kollaborationen, weltweit die Arbeit vieler MusikerInnen genreübergreifend inspiriert und beeinflusst.
Außergewöhnlich war nicht nur seine enorme Produktivität, sondern auch seine sich allen Kriterien der kommerziellen Verwertbarkeit verweigernde künstlerische Praxis. Zeit seines Lebens hat er sich keinen musikalischen Regeln unterworfen. Freiheit und Unabhängigkeit blieben immer seine obersten Prämissen. Conrad Schnitzler hinterließ ein unüberschaubares Werk von Musik, von dem ein Großteil noch unveröffentlicht ist.
Conrad Schnitzler wikipedia
Conrad Schnitzler Releases by bureauB
Conrad Schnitzler als „lebende Klangwolke”
auf der ars electronica in Linz, 1980
Für Schnitzler war Musik häufig an den Akt der Aufführung gebunden, beispielsweise wenn er seine berühmten Kassetenkonzerte aufführte: Er mischte dann einzelne Töne von verschiedenen Kassetten zu einem neuen Ganzen. Und er erfand die lebende Klangwolke. So schritt er in den 70er Jahren im weißen Lederoverall über den Kudamm, an seinem Gürtel vier an eine Autobatterie angeschlossene Kassettenrekorder. Er mischte die im heimischen Studio selbst eingespielte Musik von den Tonbändern im Gehen zusammen und übertrug den Sound über Lautsprecher, die er an einem Motorradhelm angebracht hatte, für die Passanten.
Gen Ken Montgomery performt Conrad Schnitzler’s Klangwolke in San Francisco.
Beitrag zum San Francisco Electronic Music Festival, 2016.
Gen Ken begann die Performance bei Explorist International Records, wo er Kopien der „Roten Kassette” an Teilnehmer aushändigte, die einen tragbaren Kassettenspieler mitbrachten. Er führte die Zuschauer dann zum Adobe Bookstore, wo es einen Empfang gab.
Conrad Schnitzler hat die Performance 1980 bei der Ars Electronica in Linz, Österreich, aufgeführt. Auch damals verteilte er Kassetten an Teilnehmer, die bereit waren, an der „living soundcloud” teilzunehmen.