Res publica: Sei politisch!
Präsentation der Masterthesis von Philipp Witte
Politik im Vergleich zum Design und umgekehrt
Die Arbeit von Politikern und Designern besitzt herausragende Ähnlichkeit. Beide haben die besondere Aufgabe des Sich-Vorstellens einer möglichen Welt – sie sind Planer. Beide müssen Experten sein für horizontales und für laterales Denken, die Erkenntnisse anderer Disziplinen filtern und miteinander verknüpfen. Der Umweltminister braucht kein Agrarwissenschaftler zu sein. Dazu hat er seine Berater. Er muss zum Beispiel mögliche Investitionen in der Landwirtschaft gegen mögliche Investitionen in der Forstwirtschaft abwägen und ein Urteil treffen. Die Entscheidung fällt zugunsten des einen und zuungunsten des anderen Arguments.
Wir wissen von Horst Rittel, dass auch die Arbeit des Designers als Argumentationsprozess stattfindet. Die Lösungen sind immer subjektiv, denn der Prozess ist subjektiv. Viele Urteile werden aus dem Bauch heraus gefällt. Zudem kehren Designer auch wieder zu bereits gefällten Urteilen zurück und ändern diese zugunsten neuer Erkenntnisse. Deswegen ist eine Systematik in Form eines immer wieder anwendbaren Schemas unmöglich. Es gibt keinen wissenschaftlichen Lösungsweg. Werden Entscheidungen in einer Gruppe getroffen, beeinflussen zwei weitere Faktoren das Ergebnis. Im Falle der absoluten Gleichberechtigung der Beteiligten geht es vor allem um Überzeugungsarbeit, also die rhetorischen Fähigkeiten. Die Durchsetzungsfähigkeit des Einzelnen ist oft entscheidender als die Qualität seines Arguments.
Um die Rhetorik im Design und das Design als Rhetorik fand in letzter Zeit ein umfassender Diskurs innerhalb der Designwissenschaft statt. Die klassische Rhetorik unterscheidet seit Aristoteles in die Trinität von ethos, pathos und logos. Die Rede soll also überzeugen in der Glaubwürdigkeit des Redners, in ihrer emotionalen Qualität und in ihrer logischen Nachvollziehbarkeit. Es wird versucht diese Aspekte in der Analyse von Dingen anzuwenden, vermutlich um eine Erklärung dafür zu finden, warum das eine Design gefällt und das andere nicht. Um es kurz zu fassen: Design kann als Rhetorik verstanden werden, genauso wie die Rhetorik ein Thema im Designprozess ist.
Da der Entwurfsprozess in der Regel innerhalb einer Gruppe stattfindet, ist theoretisch der im Vorteil der die ars bene dicendi am besten beherrscht. Die Kunst des guten Redens soll dazu befähigen Argumente wirkungsvoll zu präsentieren, um letztendlich den oder die anderen vom eigenen Standpunkt zu überzeugen. Ob es sich dabei um wirkliches Überzeugen oder doch nur Überreden handelt, wird gerne diskutiert, hat aber für den Designprozess keine besondere Bedeutung.
Matthias Götz schreibt: „Denn wer gut überredet, überzeugt auch.“ Herrscht ein Machtgefälle innerhalb der Gruppe, und das ist die Regel, hat meistens eine Person – oder eine sehr kleine Gruppe – als Entscheidungsträger das letzte Wort. Sie hat aber auch die Verantwortung. Die anderen buhlen um ihre Gunst. Sie sind zum Teil wieder in untergeordnete Machtgefüge verkettet. In der Praxis bedeutet das: ist das Design dem Marketing untergeordnet, hat am Ende der Chef des Marketings
vermutlich mehr Einfluss auf das Design als der Chefdesigner. Oder: Nicht das engagierte Designstudio als Dienstleister, sondern die Auftrag gebende Firma entscheidet in letzter Instanz. Über die Macht des Designs wird heiß diskutiert, über die Macht im Designprozess eher weniger; doch das wäre ein eigenes Thema. Es steht fest: Planen heißt argumentieren. Mit sich selbst und mit anderen. So ist es auch in der Politik.
Aus der Einführung zur Masterthesis
Philipp Witte
Zoon politikon
Der Mensch und die politischen Dinge
Masterthesis von Philipp Witte