Der Begriff der Taktilität öffnet einen vielfältigen und in mehrfacher Hinsicht paradoxen Bedeutungshorizont. Er verweist auf die Konkretheit und Fülle sinnlicher Berührung einerseits, gleichzeitig zunehmend auf die Digitalität medialer Kommunikation und Manipulation, sowie die Dominanz neuer Medien auf der anderen Seite. In Opposition zur Vorherrschaft des Sehens und Hörens wurde er im Mittelalter als eine alles Diskursiv-Rationale und alle Medien der Repräsentation unterlaufende Form der Begegnung mit dem Göttlichen verstanden, dann in der Neuzeit auf die ästhetische Erfahrung bezogen, in der die plastische Wirkung der Kunst – in der Skulptur, dem Bild, dem Film – in den Vordergrund rückt. In diesem Workshop soll es darum gehen, einige Grundlinien der Bedeutung des Taktilen zu diskutieren und zu sehen, inwiefern die Berührung als Grundlage experimentell-kritischer künstlerischer Arbeit gedacht werden kann.
Niklaus Largier ist Professor für Deutsche und Vergleichende Literatur an der University of California, Berkeley, wo er den Sidney and Margaret Ancker Chair in the Humanities innehat. Er studierte Germanistik, Philosophie und russische Literatur in Zürich und Paris und gilt international als führender Experte für mittelalterliche Mystik, insbesondere Meister Eckhart. Seine Forschung verbindet Literatur, Kulturwissenschaft, Philosophie und Ästhetik mit einem besonderen Schwerpunkt auf Sinneserfahrung, Affekte und Imagination.
Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Anneliese-Maier-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung.
Zu seinen bekanntesten Büchern zählen Lob der Peitsche. Eine Kulturgeschichte der Erregung (2001), Die Kunst des Begehrens (2007), Spekulative Sinnlichkeit (2018) und Figures of Possibility (2022).