Der Soziologe Pierre Bourdieu beschrieb den Kunstmuseumsbesuch als ein deutliches Distinktionsmittel der Eliten gegenüber den unteren Klassen: Wer in Kunstausstellungen gehe, zeige durch seine Liebe zur Kunst (so der Titel der soziologischen Studie von 1966) höhere Bildung, guten Geschmack und nicht zuletzt Klassenzugehörigkeit. Nun erlebt Klasse als soziale, identitätsstiftende Kategorie in der Kunstwissenschaft eine gewisse Renaissance. Die Bedeutung von sozialer Herkunft, Habitus und Klassismus für die Kunstproduktion und -rezeption sowie die Repräsentation von Klasse in Werken der Kunstgeschichte und Gegenwartskunst werden vermehrt zum Gegenstand von Veröffentlichungen, Tagungen, Positionspapieren und Ausstellungen gemacht.
In diesem Seminar werden wir uns mit den soziologisch geprägten Begriffen der Klasse und des Klassismus beschäftigen, diese auf die Kunst(geschichte) beziehen und spezifisches Klassen(un)bewusstsein in der Produktion und Rezeption von Kunst reflektieren. Wir werden diskutieren, wie ein klassensensibler Umgang mit Kunst in Studium und Beruf aussehen kann. Dies werden wir anhand von ausgewählten Texten, Werken und Ausstellungskonzeptionen sowie dem Besuch zweier thematischer aktueller Ausstellungen in Berlin bewerkstelligen.
Einführende Literatur:
Bourdieu, Pierre/Darbel, Alain: Die Liebe zur Kunst. Europäische Kunstmuseen und ihre Besucher. [franz. 1966]. Konstanz 2006.
Sharifi, Bahareh; Scheibner, Lisa; Donner, Justine; Schwab, Lyza (Hrsg.) 2022. “Dossier: Kunst kommt von Können. Klassismus im Kulturbetrieb.” In: Diversity Arts Culture Berlin. URL: https://diversity-arts-culture.berlin/magazin-und-publikationen/dossier-kunst-kommt-von-koennen
Staab, Lena Marie. 2020. „After-Work-Party im Kunstmuseum. Oder: Klassismus in Kunst und Wissenschaft.“ In: Klassismus und Wissenschaft. Erfahrungsberichte und Bewältigungsstrategien. Hrsg. von Riccardo Altieri; Bernd Hüttner. Marburg: BdWi-Verlag, 169–179.