"tie, bond, relation" von Sophia Roggenkamp
Abschlussausstellung Meisterschülerin, 2025

"tie, bond, relation" von Sophia Roggenkamp
Abschlussausstellung Meisterschülerin, 2025
"tie, bond, relation"
von Sophia Roggenkamp
2025
Abschlussausstellung Meisterschülerin
Erde, geformt von einem schweren landwirtschaftlichen Gerät. Der Traktor hinterließ bei einer Fahrt über die Weide zwei ungleichmäßige Furchen im Abstand der Radachsen. Über Nacht wurden sie mit Regenwasser gefüllt. Der Matsch ist so angehäuft, dass er sich an manchen Stellen über den Wasserspiegel erhebt. Erst kürzlich wurde dieses vertraute Bild einer zerfahrenen Schlammwiese durch die Spiegelung eines Zaunes mit Stacheldrahtapplikation ergänzt.
Für die Ausstellung tie, bond, relation nähert sich Sophia Roggenkamp dem Ort ihres Aufwachsens durch verschiedene räumliche Skalierungen: der Hof der Eltern, das nächstgelegene Dorf, der ländliche Raum in Baden-Württemberg. Die Frage nach der eigenen Lebensführung eröffnen zugleich ein Nachdenken über die Relation von Herkunft und Zukunft, über das Weggegangen sein und die Möglichkeit des Zurückkommens. Zwiegespalten von einer Kindheit auf dem Land und einem selbstgewählten Leben in der Stadt erforschen die Arbeiten, was Heimat ist und sein kann.
Die Publikation ist der Ausgangspunkt der recherchebasierten Arbeit. Sie vereint Transkripte von generationenübergreifenden Interviews, persönliche Kindheitserinnerungen und sorgsame Ortsbeschreibungen. Die individuelle Verbundenheit zu einem Ort, der in die eigene Existenz eingeschrieben ist, wird von Freund*innen, Verwandten und Bekannten aus diversen Perspektiven beleuchtet. Indirekt werden dadurch die Ausmaße einer Kompromisslosigkeit zwischen dem ländlichen und städtischen Lebensraum vermessen.
Eng verwoben mit der persönlichen Weiterentwicklung wird der romantisierte Blick auf die ländliche Umgebung von dokumentarischen Schwarzweißfotografien hinterfragt. Sie sind ein Zeugnis davon, dass der von Erinnerungen gefärbte Ort ebenfalls Veränderung unterworfen ist: Dort, wo einst der Waldrand das Ackerland begrenzte, steht heute eine neu errichtete Photovoltaikanlage, umgeben von Überwachungstürmen und einem von Stacheldraht gesäumten Zaun.
Installative Elemente, deren Materialien einen Bezug zum Hofleben aufweisen, laden zum Verweilen und Zuhören ein. In den von einem roten Ladungssicherungsnetz umspannten Heu- und Strohballen verstecken sich ausgewählte Gespräche aus der Publikation. Sie ermöglichen eine Teilhabe an den Gefühlen der Interviewten und weiten sich zu größeren Fragen des Zusammenlebens, sowie zu Ansprüchen der Lebensführung auf dem Land und in der Stadt aus.
Text: Elisabeth Hildebrandt