Forschungsprojekt

(un)certain flows

Zukunftsszenarien für Gips im Jahr 2050

Das Forschungsprojekt (un)certain flows des SustainLab ging der Frage nach, wie mit der bevorstehenden Gipslücke in Deutschland umgegangen werden kann, und entwickelte spekulative Szenarien zur Erprobung zukünftiger Rohstoffsysteme – von der Substitution endlicher Ressourcen über zirkuläre Nutzungskonzepte bis hin zu symbiotischen Infrastrukturen.

In Deutschland werden jährlich rund 10 Millionen Tonnen Gips produziert. Davon stammen rund 60 Prozent aus Kohlekraftwerken. Dort fällt er als Nebenprodukt bei der Stromerzeugung an: als sogenannter Rauchgasentschwefelungsgips oder REA-Gips. Mit dem Kohleausstieg bis 2038 wird diese Ressource fast vollständig versiegen.

Das wirft die Frage auf, wie Szenarien für alternative Methoden der Gewinnung, Zusammensetzung, Verarbeitung, des Recyclings und der Logistik dieses Materials aussehen könnten. Das Projekt (un)certain flows nutzte mathematische Modelle, um das aktuelle Materialsystem Gips zu analysieren. Daraus wurden spekulative Konzepte für die Gestaltung zukünftiger Rohstoffquellen sowie deren Materialeigenschaften und soziotechnische Infrastruktur entwickelt.

Das Projekt brachte Ansätze aus den Disziplinen Geoökologie, Ingenieurwissenschaften und Design Fiction zusammen. Es wurde in Kooperation mit verschiedenen Partnern aus Wirtschaft und Forschung durchgeführt, darunter das Gipswerk Uehrde von Rump & Salzmann und das Thüringer Innovationszentrum für Wertstoffe ThIWert.

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(un)certain flows, Video: Rosenpictures

Materialsystem Gips heute

Der Weg des Materials von seiner Gewinnung bis zum Ende seiner Nutzung (in Tonnen pro Jahr)

Der gesellschaftliche “Stoffwechsel“ von Gips in Deutschland wurde mit einem mathematischen Modell, der sogenannten Stoffstromanalyse, analysiert. Das Modell zeigt die umgesetzte Menge des Materials von der Gewinnung über den Transport, die Herstellung von Gipsprodukten sowie die Verwendung bis hin zum letztendlichen Verbleib, zum Beispiel auf einer Deponie. Im derzeitigen Materialsystem wird Gips durch Naturgips, in Kohlekraftwerken und zu einem geringen Anteil durch das Recycling von Gipsplatten gewonnen.

Szenario 2050: Alternative Materialien

In diesem Szenario wird ein Großteil der Gipsprodukte durch alternative Materialien vom Markt verdrängt. Anstatt Gips kämen Lehmbaustoffe zum Einsatz, denen geeignete Stabilisatoren zugegeben würden. Als Inspiration für die Fertigung bedienen wir uns in der Natur: Der Felsenkleiber (Sitta neumayer), ein Vogel aus Südosteuropa, verwendet Lehm in Kombination mit dem Chitin und Eiweiß von Insekten, um sein Nest zu verstärken. Diese beiden natürlichen Bindemittel könnten auch für die Trockenbauplatten aus Lehm als Zugabe dienen und das Problem der geringeren Bruchfestigkeit lösen.

Szenario 2050: Kollaborative Kreisläufe

In diesem Szenario wird Gips hauptsächlich durch die Wiederverwendung und das Recycling von bereits benutzten Gipsprodukten gewonnen und damit im Kreislauf genutzt. Eine mögliche Idee innerhalb dieses Szenarios sieht vor, ein Verbindungselement zu gestalten. Damit könnte man gebrauchte Gipskartonplatten demontieren und über ein lokales Materiallager für Sekundärrohstoffe neu verteilen.

Szenario 2050: Neue Quellen

Anstatt mehr Gips aus der Natur zu gewinnen oder zu importieren, könnte man neue Materialquellen erschließen. Ein interessanter Weg wäre es, Gips aus Klärschlamm zu gewinnen, einem Restprodukt der Abwasserbehandlung. Durch die Nutzung des Gipses aus Abwasser würde das heutige Konzept von getrennten Infrastrukturen der Abfallbeseitigung und der Rohstoffgewinnung durch symbiotische Infrastrukturen abgelöst werden, die beides miteinander verbinden.

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(un)certain flows, Video: Henning Frančik, Norman Seils