Gruppenarbeit

Habitat Residency

Die BurgLabs Residency Habitat bot im Sommersemester 2023 zwei Studierenden aus dem Industriedesign die Möglichkeit, zusammen mit dem interdisziplinären Team des BioLab Mikrolebensräume für Bakterien, Pilze und Algen zu gestalten und deren Potenzial experimentell zu erkunden.

Was passiert, wenn Materialien zu lebendigen, wachsenden Partnern werden? Diese übergeordnete Frage war Gegenstand der Residency Habitat unter der Leitung von Prof. Mareike Gast und den Mitarbeitenden aus dem BioLab Hannah Kannenberg, Johann Bauerfeind und Dr. Falko Matthes. 

Aufbauend auf dem Forschungsprojekt Habitat war es Aufgabe, die Möglichkeiten des dreidimensionalen Wachstums in z.B. gegossenen Habitaten anhand konkreter Anwendungskonzepte zu erforschen. Es galt, entwerferisch zu untersuchen, welche Organismen kombiniert werden können, um bestimmte Eigenschaften zu erzielen, und in welchen Kontexten gewachsene Produkte sinnvoll eingesetzt werden können. Ziel war es, die Organismen als Co-Produzenten neuer Materialien zu begreifen, die ihren Einfluss auf Funktion und Ästhetik im Wachstumsprozess sukzessive offenbaren.

Das vielfältige Einführungsprogramm begann mit einem Workshop zu Gießtechniken, angeleitet durch den Leiter der Kunststoffwerkstatt René Braun, sowie einer Einführung in Techniken und Verfahren des BioLab, angeleitet durch Dr. Falko Matthes. Zudem demonstrierte Johann Bauerfeind in einem Workshop die im Projekt Habitat entwickelten Methoden zur Gestaltung dreidimensionaler Alginathabitate. Im Rahmen einer Exkursion besuchte die Gruppe das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig (UFZ) und erhielt dabei sowohl einen Einblick in die Hefekultivierung für biotechnologische Fermentationsprozesse als auch in die Elektrobiotechnologie. Des Weiteren stand der Besuch bei c-LEcta GmbH auf dem Programm, wo Enzyme entwickelt und industriell hergestellt werden, wie beispielsweise Acrylerase, ein Enzym, das schädliches Acrylamid in Kaffeeextrakten und löslichem Kaffee abbaut. Anschließend leitete ein Ideationworkshop mit Prof. Mareike Gast und Hannah Kannenberg die Entwurfsphase ein. Hier entstanden erste Zukunftsszenarien und Produktkonzepte, die natürliche Phänomene, Mikroorganismen und Alltagsgegenstände kreativ kombinierten und herausforderten.

Aus der Residency gingen die folgenden studentischen Arbeiten hervor:

BIOTIC BOOT | Shoe grown from bacterial cellulose 
von Friedrich Gerlach

Bakterienzellulose, entsteht durch Bakterien, die Zucker in Cellulose umwandeln. Diese Zucker können sie z.B. aus Abfällen der Lebensmittelproduktion gewinnen. Der Prozess findet an der Grenzfläche von Flüssigkeit zu Luft statt, wo sich umfangreiche Schichten bilden, die dann zu einem robustem Lederersatz weiterverarbeitet werden können. Solche Cellulose ist reiner und stabiler als Pflanzliche. Die Herausforderung in diesem Experiment besteht darin, einen Biofilm 3D wachsen zu lassen. Das ermöglicht, dass gedruckte Formteile umwachsen werden können, was die direkte Erstellung dreidimensionaler Produkte ermöglicht, ohne dass eine spätere Naht oder umfangreiche manuelle Nachbearbeitung erforderlich ist. Als exemplarisches Objekt, dient ein Schuh, oft Resultat von stundenlanger Handarbeit und damit ein ideales Testobjekt. Eine spezielle Maschine befeuchtet alle 20 Minuten steril die Oberfläche der Form, so dass die Bakterien dort ihren Biofilm auf einer 3D-Oberfläche bilden können.

ORTHESIS | About fungi, hemp and medical technology
von Marvin Kasper

Das Projekt schlägt eine Brücke zwischen dem Kosmos der Mikroorganismen und der Medizintechnik. Im Fokus meiner Arbeit stand das Experimentieren mit umweltverträglichen Materialien im Anwendungsbereich einer Orthese.


Der Pilz Fomes fomentarius, auch Zunderschwamm genannt, besitzt eine lange Geschichte in der medizinischen Anwendung, so wurde er aufgrund seiner heilenden Wirkung früher als Wundauflage verwendet. Die Synergie zwischen diesen Heilkräften des Zunderschwamms und seiner Fähigkeit zur Myzelbildung inspirierte meine Forschungsversuche.
Durch experimentelle Herangehensweise entstanden Materialproben aus
Myzelverbundstoffen, die Hanf und Alginat einschlossen. Ebenso erprobte ich andere organische Substanzen wie Sägemehl, Treber, Heu und Teile des Zunderschwamm-Fruchtkörpers. Hierbei erwies sich Hanf als besonders vielversprechend. Als Bindemittel kam das Hydrogel Alginat zum Einsatz, welches sogar in pastöser Form 3D-gedruckt werden konnte. Auf ein Textil aufgetragen, bewirkte der mit Myzel durchzogene Verbundstoff eine partielle Versteifung, die die Stabilisierungswirkung einer Orthese nachbilden kann. Gegenwärtige Orthesen setzen sich aus schwer voneinander trennbaren Verbundmaterialien zusammen. Dieses Projekt zielt darauf ab, nachhaltige Lösungsansätze zu entwickeln, indem Myzelverbundstoffe verwendet werden und der Einsatz fossiler Materialien vermieden wird. Zusätzlich zeichnet sich die Kompostierbarkeit dieser Materialien als umweltfreundliche Option aus.