Forschungsprojekte im SustainLab
SOLUM – generous sediments and rare loads
Während mit immer größerem Aufwand nach geogenen Materialien gegraben wird, steigen die kritischen Stoffgehalte in der Erde. Unter dem Arbeitstitel „SOLUM – generous sediments and rare loads“ stellen wir uns der Frage, auf welchem Boden wir stehen. „Solum“ bezeichnet aus geologischer Sicht den Bodenkörper. Wir verstehen ihn als Material und gleichzeitig als komplexes System. Er ist Lebensraum, Rohstoffquelle, Rückführungsort, Produzent und Produkt, Fundament und Archiv.
Wie viel Boden verbrauchen wir Tag für Tag? Und in welcher Form? Welchen Veränderungen unterliegen geogene Stoffströme durch anthropogenen Einfluss? Wie sehen Alternativen und Wege zu einem nachhaltigen Umgang mit Sedimenten aus? Und wie können Kunst und Design dabei die Lücke zwischen den abstrakten akademischen Visionen und den realen Bedingungen des Alltags schließen?
Teilprojekt prog/rammed earth
2021–2022, zusammen mit dem XLab
Stampflehm, Terre Pisé, Rammed Earth: Krümelige, erdfeuchte und relativ magere Lehmmasse wird in eine Schalung lagenweise eingeschüttet, durch stampfen verdichtet und an der Luft ausgehärtet. Diese Form des Lehmbaus hat eine jahrtausendealte Tradition – nicht zuletzt in Sachsen-Anhalt. Während die Verdichtung im natürlichen Kontext den Verlust von essentiellen Bodenfunktionen bedeutet, werden in der Architektur die Potentiale komprimierter Erde ausgespielt: Porosität und Durchlässigkeit schaffen ein atmendes Material, die Nutzung lokaler Ressourcen steht im Sinne der Wertschöpfung und Lehm ermöglicht eine unbegrenzte Rezyklierbarkeit ohne Verlust von Materialeigenschaften.
Bei all den schlagenden Argumenten und 130,3 Millionen Tonnen (Umweltbundesamt, 2021) Bodenaushub pro Jahr: Kann Stampflehm nicht auch abseits von Mauern und Fußböden gedacht werden? Der Auftakt der Untersuchung des SustainLab fragt nach der Zukunftsfähigkeit eines traditionellen Verfahren im Umgang mit lokalen Sedimenten. Eine erste Experimentierreihe erprobt Material, improvisiert Werkzeuge und spekuliert über Anwendungen.
2K: An der Schnittstelle von SustainLab und XLab trifft die traditionelle Verarbeitung von lokalen Sedimenten auf die Programmierung von Material und Werkzeug: prog/rammed earth. Das gezielte Arbeiten mit zwei Komponenten denkt Stampflehm dabei als additives Fertigungsverfahren. Erdfeuchter Lehm wird verdichtet, die zweite Materialkomponente dient als Stützmaterial und rieselt, fließt, dampft, bricht nach dem Stampfen aus der Grundform. Das selektive Binden ermöglicht Freiformen, Überhänge und Hinterschnitte. Und gleichzeitig transformiert robotische Präzession die material- und zeitintensive Vorbereitung.
Welche konstruktiven Konzepte, nachhaltige(re)n Anwendungen und rahmenden Systeme können dieses Verfahren in einen zukunftsfähigen Kontext setzen?
Teilprojekt (un)certain flows
Modelling material strategies in the post-coal era
2021–2022
Mit dem Kohleausstieg bis 2038 werden in Deutschland rund 60 Prozent der zur Verfügung stehenden Gipsrohstoffe wegfallen. Bis dahin wurde über die sogenannte Rauchgasentschwefelung der Großteil der deutschen Gipsnachfrage über diese nicht-regenerative Rohstoffverarbeitung bereitgestellt. Damit stellt sich bereits jetzt die Frage nach möglichen Szenarien der alternativen Gewinnung, Zusammensetzung, Verarbeitung und des Recyclings dieses Materials. Im Projekt wird im wechselseitigen Austausch zwischen Materialflussanalysen, probabilistischen grafischen Systemmodellen (Bayes-Netze) und dem Mapping möglicher Design-Interventionen die Interaktion von Gipsprodukten mit deren zukünftigen natürlichen und sozio-technischen Umgebungen untersucht. Dabei werden verschiedene Szenarien sowie unterschiedliche Substitutionsstrategien des Materialsystems Gips im Jahr 2050 simuliert und visualisiert.
Konkrete Fragen können in diesem Zusammenhang lauten: Welche industriellen Symbiosen sind in der Lage, die zukünftige Kreislaufführung des Materials zu ermöglichen? Wie könnten durch neue Verarbeitungsprozesse von gipshaltigen Sekundärrohstoffen die Materialeigenschaften positiv verändert, der Materialbedarf verringert und die Recyclingfähigkeit erhöht werden? Und was bedeutet das für die Menschen, die mit diesen Stoffen hantieren?
Die Forschungsarbeit bewegt sich zwischen den Disziplinen Geoökologie, Ingenieurwissenschaften und Design und wird in Kooperation mit verschiedenen Praxis- und Forschungspartnern durchgeführt (u. a. MUEG GmbH, Gipswerk Uehrde GmbH Co. KG, Thüringer Innovationszentrum für Wertstoffe).