Katja Jaroschewski
"Ich-Synthesizer"
Diplom, Plastik, Studienrichtung Keramik, 2016

Katja Jaroschewski
"Ich-Synthesizer" Ausstellungsansicht
Diplom, Plastik, Studienrichtung Keramik, 2016
Foto: Jens Pahl

Katja Jaroschewski
"Ich-Synthesizer"
Diplom, Plastik, Studienrichtung Keramik, 2016

Hinter dem Begriff Ich-Synthesizer steht keine Person mit einem bestimmten Charakter, sondern die abstrakte Idee vom Menschen, der als eine Art Klangtransformator fungiert.

Wir alle können uns eine Welt ohne Klänge wohl nicht vorstellen. Denn sobald unser Gehör im Bauch der Mutter ausgebildet ist, begegnen wir unseren ersten Geräuschen. Bereits hier fängt das Synthesizen an, wenn wir als Ungeborene auf die unterschiedlichen Geräuschinformationen unterschiedlich stark reagieren. Im Laufe unseres Lebens kommen dann das permanente Ausloten von Gefühl und Verstand, welche wiederum durch die unterschiedlichen Erfahrungen, die wir im Laufe des Lebens gesammelt haben, zur Art und Weise wie wir uns und unsere Umwelt wahrnehmen. Wir werden gemäß des Ich-Synthesizers zum Empfänger, Träger und Sender von Harmonien, Dissonanzen, Rhythmen, Wiederholungen, Stille und Vibrationen, die in Forte, Piano, Crescendo und Decrescendo auftauchen. So stelle ich mir den Menschen nicht als statisches Wesen vor, welches einen festen Kern oder besser gesagt eine feste Identität entwickelt hat.

Nietzsche beispielsweise spricht nicht vom „Individuum“, sondern vom „Dividuum“, da eine Person in der Regel aus mehreren verschiedenen Personae besteht. Auch in meiner Gedankenwelt sehe ich den Menschen als ein Wesen, welches aus den Möglichkeiten eines komplexen Modularsystems jeden Tag neu schöpfen kann.

Gewohnheiten sind im Sinne von Wiederholungen oder anders gesagt, im Sinne eines Ritornells wichtig. Ein Ritornell ist der mehrfach wiederholte Teil eines Musikstückes. Wie Gilles Deleuze und Félix Guattari in Tausend Plateaus schreiben, bildet das Ritornell rhythmische Gesichter und Klanglandschaften aus, durch die es ein Territorium absteckt und zugleich Übergänge zu einer Deterritorialisierung herstellt. Dabei spielt der Rhythmus eine ausschlaggebende Rolle. Der Rhythmus dient dem Menschen als Orientierung im Chaos. Hierbei wird die Empfindung zum wichtigen Bestandteil des Seins.

Ausgehend von der Negativform einer Büste habe ich verschiedene Teile entwickelt, die sich von ihrem menschlichen Ursprung allmählich lösen und sich zu eigenen Gefügen verselbständigen. Teilweise werden sie mit Gummischläuchen verbunden, wodurch immer wieder neue Möglichkeiten entstehen. Dieser zusätzliche Baustein besitzt im Gegensatz zum gebrannten Ton eine hohe Flexibilität, welche es mir erlaubt immer wieder neue Zusammensetzungen und Richtungen zu erfinden.

Im Arbeitsprozess wird mir deutlich, dass sich ein Spannungsverhältnis zwischen synthetischen und organischen Bauteilen ergeben hat. Sie reagieren stets aufeinander. Die Installation macht ein Außen und ein Innen, ein Bewusstsein und ein Unterbewusstsein, welche sich gegenseitig bedingen, sichtbar. Der Ich-Synthesizer weitet sich mit diesen beiden Polen in alle Richtungen aus, wird zum Myzel und schließlich zum unendlichen Spiel an Möglichkeiten.

Diplomverteidigung am 25.10.2016 in der Bootshalle / Hühnermanhatten ( Hordorferstr. 4) Halle/Saale

katja-jaroschewski.de