Ein Satz mit Axt

Die Ausstellung zeigt Positionen aus der Klasse Buchkunst - für Lehrende und Studierende ist sie nach Terminvereinbarung auch im Dezember offen.

Flyergestaltung: Miriam Humm und Marcus Wachter

Ausgehend von Franz Kafkas Tagebuchnotiz „...ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“ entstand der Titel für die Ausstellung Ein Satz mit Axt in der Burg Galerie im Volkspark. Aktuelle Positionen, darunter Bücher, Objekte, Grafiken und Installationen, von 21 Studierenden und Alumni sowie Prof. Sabine Golde der Studienrichtung Buchkunst der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle sind zu entdecken.

Dabei wird das Spektrum dessen, was ein Künstler*innenbuch in der Gegenwart ausmachen kann, beim Blättern und Lesen haptisch nachvollziehbar gemacht. So können die Grenzen des Wortes ertastet werden und eigens für die Ausstellung geschaffene Raumobjekte werden in einen neuen Kontext gesetzt.
Beispielsweise schimmert Anna Egerters Künstlerinnenbuch Uferlos schwappt er grünrosa, ist smartphonegroß, genauso schwer und enthält 16 Gedichte. Die kurzen, fragmentarischen Texte reflektieren ihre Auseinandersetzung mit Digitalität, Touchscreens und Technisierung. Das Werk vermittelt dabei eine körperliche Sprache, die das Körpersein selbst und die Sehnsucht nach anderen Körpern ausdrückt, entgegen den immer gleich glatten Bildschirmen. Dabei spielt die Form des Buchs mit der Attraktivität von Geräten marktführender Tech-Produzenten: Es liegt angenehm schwer in der Hand, ist seidig glatt und um den Titel scharf lesen zu können, muss sogar „hinein gezoomt“ werden.
Impulsgebend für das in einer Auflage von acht Exemplaren entstandene großformatige Buch Eki von Jonathan Steffens war Kurt Schwitters’ dadaistisches Lautgedicht Die Ursonate. Anders jedoch als das Vorbild basiert die Arbeit nicht auf einer streng durchkomponierten Struktur; vielmehr gewinnen die visuellen Elemente mit ihrer Formensprache und Farbigkeit an Bedeutung. In dieser besonderen Text-Bild-Relation entsteht ein ganz eigener Rhythmus. Der Text, geschrieben und eingelesen von Jonathan Steffens, lässt sich auch unter jonathanast.de/eki anhören.
In ihrer Diplomarbeit Überreste beschäftigt sich Marlene Milla Woschni mit Fragen, die sich im Umgang mit Präparaten aus menschlichem Gewebe in medizinhistorischen Sammlungen stellen. Ethisch-moralische Konfliktpunkte werden in einem in Wachspapier eingebundenen Band aufgezeigt. Dabei versprachlicht die Künstlerin die sie stets begleitende Unsicherheit und den Zweifel in der Auseinandersetzung. In einem Glaskasten hängen Grafiken zu 14 Exponaten aus dem teratologischen, sich mit Fehlbildungen befassenden Bereich der Meckelschen Sammlung in Halle (Saale). Die von Woschni gezeichneten Kinder haben keinen einzigen Tag gelebt und zugleich sind sie durch die Konservierung ihrer Körper über 200 Jahre alt. Die Zeichnungen auf weißem Wachspapier widersetzen sich dem Blick der Betrachtenden und erfordern, in die Hand genommen und einzeln im richtigen Licht betrachtet zu werden. Sie entziehen sich so der Schaulustigkeit und provozieren den Kontakt und die körperliche, sensible Auseinandersetzung und Einfühlung.
 

Über die Studienrichtung Buchkunst an der BURG
In der universitären Kunsthochschullandschaft ist das Profil der Studienrichtung Buchkunst an der BURG deutschlandweit einzigartig. Im Zentrum des Studiums steht eine zielgerichtete und experimentelle Erarbeitung des Mediums Buch, die weit über tradierte Formen und Strukturen hinausgeht. Die Überschreitung der Grenzen dessen, was ein (Künstler*innen)Buch gemeinhin ist, zeigt sich auch in den ungewöhnlichen Arbeitsergebnissen aus der Buchkunst der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Medien wie Fotografie, Film, Siebdruck, Bleisatz und selbstverfasste Texte werden dabei ebenso mit eingebunden wie auch digitale Techniken des Lasern und Druckens.
Bereits 1920 wurde an der damaligen Kunstgewerbeschule eine eigenständige Buchbindewerkstatt eingerichtet, die bis 1958 bestand hatte. Nach 20 Jahren Unterbrechung wurde 1978 der Fachbereich für künstlerischen Handeinband neugegründet. Mit der Berufung Sabine Goldes 2007 wurde die Studienrichtung geöffnet und künstlerisch weiter gefasst.
 

Ausstellende: Paulina Brunner, Fiene Annabella Burgert, Martha Burkhardt, Friederike Dolinschek, Anna Egerter, Dorli Flämig, Mélina Giboire, Prof. Sabine Golde, Thomas Kober, Josepha Rudolph, Annina Sarantis, Florentine Schaub, Cordelia Schmucker, Hannah Schönicke, Friedrich Maria Sommerfeldt, Jonathan Steffens, Louis Steven, Mara Straube, Miroslava Surá, Joelle Tumasov, Wang Xue, Marlene Milla Woschni


Ein Satz mit Axt
Ausstellungsdauer:
sobald die Corona-Verordnungen es wieder zulassen, ist geplant, die Ausstellung bis 14. Januar 2021 zu öffnen. Für Lehrende und Studierende der BURG ist sie nach Terminvereinbarung auch im November offen.
Ort: Burg Galerie im Volkspark, Schleifweg 8a, 06114 Halle (Saale)
Eintritt: Der Eintritt ist kostenfrei. Eine Anmeldung vorab ist nicht notwendig. Besucher*innen müssen eine Mund-Nase-Bedeckung tragen.
Kurator*innen: die Ausstellenden
Social Media: Die BURG kommuniziert die Ausstellung in den sozialen Medien mit den Hashtags #BurgHalle und #einsatzmitaxt

 

Digitales Begleitprogramm

Alumni-Gespräch: Donnerstag, 3. Dezember 2020, 19:30 Uhr
Was macht man als Buchkünstler*in? Was kommt nach einem Studium an der BURG? Wie wandelt sich der Zugang zu Buchkunst, Büchern und dem künstlerischen Arbeiten? Wie verdient man „seine Brötchen“? Beim digital stattfindenden Alumni-Gespräch geben die Buchkunst-Absolventinnen Anne Deuter, Paula Schneider und Magda Klemp Einblicke in ihre künstlerische Arbeit und sprechen über ihr Leben nach dem Studium an der BURG.
Link zur digitalen Veranstaltung: https://us02web.zoom.us/j/84932813959

Podiumsdiskussion Wie wird das Buch eine Axt?: Donnerstag, 10. Dezember 2020, 19:30 Uhr
Ist das Buch eine Axt? Kann es aufbrechen und zerstören? Kann es formen und kultivieren? Was kann ein Buch und was sind die Voraussetzungen, damit das Buch zur Axt werden kann? Was passt in ein Buch? Und was geht darüber hinaus?
Perspektiven und Positionen zum Medium Buch werden mit den Gästen Prof. Dr. Nike Bätzner (Professorin für Kunstgeschichte an der BURG), Mario Freidank (drift Buchhandlung Leipzig), Prof. Sabine Golde (Buchkünstlerin und Professorin für Buchkunst an der BURG) sowie Lukas Meisner (Autor und Philosophie-Doktorand) kontrovers in dem digitalen Format diskutiert.
Unter dem Link wird nach kurzen Impulsvorträgen diskutiert: https://us02web.zoom.us/j/86441716479?pwd=cTB4cm1QcWc4bUhHOFVTWUpDNzhuQT09 (Kenncode: 550987)

Leseabend: Samstag, 12. Dezember 2020, 18:00 Uhr

Am Langen Abend der Galerien Halle lesen Studierende der Buchkunst Selbstverfasstes. Ob Gedichte, Kurzgeschichten oder poetische Fragmente, die Texte haben durch die Einzigartigkeit des Studienganges Buchkunst eine besondere Beziehung zum Buch. 

Die Texte, die unter anderen Bedingungen in der aktuellen Ausstellung Ein Satz mit Axt im originalen Buch hätten gelesen werden können, bekommen an diesem Abend ein digitales Sprachrohr. Sie werden als vorab aufgezeichnete Lesungen auf der Vimeo-Seite der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle zu erleben sein.

Es lesen:

Louis Steven // Book of Knots

Anna Egerter // Uferlos schwappt er

Josepha Rudolph // Das Lebendige im Raster finden

Friedrich Maria Sommerfeldt // Gedichte

Dorothea Flämig // Wiederfinden/Erster Verlust

Jonathan Steffens // Eki

Über diesen Link werden ab dem 12.12. um 18 Uhr Videoaufzeichnungen der Lesungen auf der Vimeo-Seite der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle zugänglich sein:

https://www.burg-halle.de/kunst/malereigrafik/buchkunst/aktuelles/a/lesungen-zum-langen-abend-der-galerien/