Forschungsprojekt

Prototyping Footprints

Schuhe ökologisch(er) fertigen, tragen, wiederverwenden

Das Folgeprojekt Prototyping Footprints knüpft an die systemische Analyse von Measuring Footprints an und überführt sie in eine gestalterisch-praktische Auseinandersetzung: Skizziert wurden wünschenswerte Szenarien für alternative Formen des Produzierens, Nutzens und Wiederverwertens von Schuhen.

Aufbauend auf Measuring Footprints, einer systemischen Analyse zum Status quo von Schuhproduktion und -konsum, widmete sich Prototyping Footprints der gestalterisch-praktischen Auseinandersetzung mit dem Produktsystem Schuh. Ziel war es, neue Handlungsräume zu eröffnen, in denen ökologische, materielle und kulturelle Fragen nicht getrennt, sondern miteinander verhandelt werden können. Aus der Analyse entstanden spekulative und zugleich realitätsnahe Szenarien – mit dem Anspruch, Gestaltung als Werkzeug zur Veränderung materieller Kultur wirksam werden zu lassen.

Als methodischer Rahmen dienten die R-Strategien der Kreislaufwirtschaft, die Maßnahmen wie Reduktion, Wiederverwendung oder Recycling entlang ihrer ökologischen Wirksamkeit ordnen. Übertragen auf den Gestaltungsbereich Schuh bildeten sie den Ausgangspunkt für vier konzeptuelle Entwürfe: Jeder schloss sich einer anderen Phase des Produktlebenszyklus an und ging dabei von einer „Was-wäre-wenn“-Frage aus.

So entstanden vier prototypische Vorschläge für pflegefreundliche Materialien, materialbewusste Konstruktionen, reversible Prozesse und kollaborative Nutzungsformen. In ihrer Unterschiedlichkeit einte sie der Versuch, neue Beziehungen zwischen Dingen und Menschen sowie den Systemen, in die sie eingebettet sind, zu denken. Dass das Prototyping nicht nur den Schuhen selbst, sondern ihrem (ökologischen) Fußabdruck galt, macht deutlich, wie sich Gestaltung der Aufgabe, neue Produktions- und Konsummuster zu veranschaulichen, annehmen kann.

Das Projekt gliedert sich in die folgenden Abschnitte:

  • Pflegen statt ersetzen
  • Smarte Low-Performance
  • Wickeln, tragen, abwickeln
  • Gebrauchen statt besitzen

Pflegen statt ersetzen

Reparieren und Aufbereiten – aber wo? Nutzungsdauer verlängern durch Instandhaltung: Schuhsohlen als Medium materieller Fürsorge

Verschleiß wird im Entwurf von Schuhen bislang kaum berücksichtigt, obwohl er in der Nutzung unvermeidbar ist. Ein Sohlenrelief dient als Trägerstruktur für biologisch abbaubare Wachse und Polymere, die als Funktionsschicht aufgetragen werden. Diese Schicht kann sich im Gebrauch kontrolliert abnutzen, ohne schädliche Rückstände zu hinterlassen. Zugleich fungiert die Geometrie der Oberfläche als visuelles Wartungssignal. Die Auffrischung der Funktionsschicht erfolgt durch alltagsnahe Praktiken – etwa das gezielte Abstreifen auf Fußmatten oder das gelegentliche Eintauchen in ein Wachsbad. Die Schuhpflege wird so als selbstverständlicher Teil der Nutzung begriffen.

Smarte Low-Performance

Wenn neu, dann richtig – aber wie? Gestaltung zukunftsfähiger Konzepte durch lebenszyklusübergreifende Ansätze: Smarte Low-Performance

Das gängige Schuhideal ist geprägt von High-Performance-Modellen mit komplexen Aufbauten und nicht-trennbaren Materialverbünden. Holzschuhe wie schwedische Träskor, niederländische Klompen oder japanische Geta stehen dem als tradierte Archetypen gegenüber. Was entsteht, wenn überliefertes Handwerk auf zeitgenössische digitale Fertigung trifft: Eine flache Holzsohle wird durch gezielt platzierte, beidseitige Einschnitte leicht federnd und mit einem aufgesteckten Upper aus Sperrholzfurnier zur schlichten Alltagsschlappe. Nicht maximale Leistung, sondern eine bewusste Reduktion steht im Fokus – angepasst an individuelle und kontextspezifische Anforderungen. Die Fertigung kann dezentral erfolgen, etwa durch CNC-gefräste Kleinserien in lokalen Schreinereien, und eröffnet so neue Verbindungen zwischen Gestaltung, Handwerk und Gebrauch.

Wickeln, tragen, abwickeln

Was, wenn die Grenzen der Nutzung erreicht sind? Nachnutzung durch Erschließen neuer Kontexte: Reversibilität als neues Gestaltungskriterium

Ein Schuh, der sich auflöst, ohne zu zerfallen: Dieser Entwurf verschiebt den Fokus von der Dauerhaftigkeit der Form hin zur Wiederverwendbarkeit des Materials. Der Upper entsteht aus einem durchgängigen Garn, das lagenweise gewickelt und mit reversiblen Bindemitteln, etwa Biopolymeren oder thermoplastischen Kunststoffen, fixiert wird. Je nach funktionalem Bedarf variieren Dichte und Struktur des Gewebes: atmungsaktiv, stabilisierend oder saisonal. Nach der Nutzung lässt sich der Binder gezielt lösen, das Garn abwickeln und erneut konfigurieren. Der Schuh wird nicht als abgeschlossenes Objekt gedacht, sondern als temporäre Erscheinung innerhalb eines zirkulären Gestaltungsprozesses, im fortlaufenden Wechselspiel vieler möglicher Varianten.

Gebrauchen statt besitzen

Tauschen, sharen, mieten – aber wie? Nutzungsintensität steigern durch kollaboratives Konsumieren: Schuhe als Teil zirkulierender Systeme

Dieser Entwurf begreift den Schuh nicht mehr als individuelles Konsumgut, sondern als Bestandteil einer gemeinsam organisierten Versorgung. Analog zu Konzepten wie dem JobRad oder bereitgestellter Arbeitskleidung werden auch Schuhe als Teil betrieblicher Infrastruktur gedacht. Gestaltung, Bereitstellung, Wartung und Weitergabe werden als zirkuläres System neu organisiert. Ein robuster Basisschuh aus TPU-Monomaterial bildet die Grundlage, ergänzt durch modulare Komponenten wie Stahlkappen, isolierende Einlagen oder atmungsaktive Oberteile. Die Konfiguration passt sich an Einsatzorte und Anforderungen an – sei es auf der Baustelle, in der Pflege oder im Hotelbetrieb. Anstelle individueller Anschaffung wird ein zentrales Versorgungssystem eingeführt.. Verantwortung wird kollektiv getragen, Nutzung wird situativ ermöglicht. Die Frage nach dem Eigentum des Schuhs weicht einem erweiterten Verständnis von Teilhabe, Versorgung und gestalterischer Fürsorge.