Is Fit Modern?


EK-Pflicht, Bachelor 4. Stj., Bachelor 3. Stj., Wintersemester 2021, Normalwoche (1.-15.SW),

Bild: Prof. Franziska Schreiber

Is Fit Modern?­¹ Dilemma Passform.

 

Die Passform ist ein Dilemma. Die Passform ist ein Dilemma zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Sie ist ein Dilemma der Körper und Ideale. Sie ist ein Dilemma der Perspektiven und Kontexte. Sie ist ein Dilemma der Ressourcen & Realitäten. Sie scheint ein Mysterium und eine Gleichung unterschiedlichster Variablen zu sein. In Zeiten gesteigerter Medialität und Phänomenen der High-Visibility ist die Passform als Zeichen raffinierter körperbezogener Dreidimensionalität zweidimensionalen visuellen Effekten oft nachgestellt. Dennoch, die Passform ist einer der Qualitätsparameter in der Mode, aber vor allem für die Konfektion ist sie eine der größten Herausforderungen im Spagat zwischen Standardisierung und Personalisierung. “Clothes are supposed to fit, and fit models are chosen and labor (along with designers and pattern makers) to make them fit our bodies properly. Ironically, the fit model function is also one of the key reasons why clothes (more often than not) do not really fit as well as they should. This apparent conflict or contradiction is one of the fashion’s many paradoxes”² Die Passform beschreibt das Verhältnis zwischen Körper und Kleidung. Aber welche Passung, zu welcher Form, welchen Körpers und welcher Kleidung ist damit eigentlich gemeint? Unsere Körper könnten nicht unterschiedlicher sein. Seit Einführung der Konfektion versucht die Industrie den individuellen Körper auf der Grundlage generalisierter Maßsysteme zu bekleiden. Die Standardisierung verfolgt das Konzept der Vereinheitlichung. Reihenmessungen münden in Tabellen mit millimetergenauen Einheitsgrößen, die als Schablonen des Seriellen auf das Individuelle passen sollen. Die populären binären Grössen- und Skalierungssysteme haben ihre Wurzeln in der Uniformierung der preußischen Armee. Im 21. Jahrhundert scheint  dies vor dem Hintergrund aktueller Konzepte und Phänomene wie Diversity, Body-Positivity, Size-Inclusivity, Gender-Neutralität, Hyper-Customization, Virtualitiy u.v.m. anzweifelbar, überholungsbedürftig und an den Grenzen der Anwendbarkeit angelangt.  „(...)den biologischen Körper als objektives, durch die Jahrhunderte unveränderliches Faktum gibt es nicht.“, erklärt Gertrud Lehnert. „Menschliche Körper werden immer wieder neu definiert: durch Biologie, die Medizin, die Theologie etwa – oder eben auch durch die Mode.“³ In der Mode sind Körper und Kleidung Variablen, die im Dialog einen eigenen fiktiven „Modekörper“⁴ entstehen lassen. Die Passform bezieht sich eben nicht nur auf die bekleidende Konturierung des natürlichen Körpers, sondern beschreibt die Räumlichkeiten, die Mode kontextabhängig und eingebettet in soziale und kulturelle Phänomene herstellt. Dennoch, der Begriff der Passform ist heute geprägt von Normierung, Hierarchisierung und Vergleichung – durch industrielle Standards, soziale Normen und ästhetische Ideale. „Most student successfully graduate fashion school without ever attempting to design clothing for a body that isn’t thin, let alone non-binary or disabled.“, schreibt Ben Barry in seinem 2021 veröffentlichten Manifest „How to transform fashion education: A manifesto for equity, inclusion and decolonization“.⁵ Die „gute Passform“ ist ein streitbarer Begriff. Sie ist nicht nur eine Frage der Technik von Maßen, richtiger Vermessung oder genauer Konstruktion.  Sie ist vielmehr eine Frage der Werte. Wie zeitgemäß ist der Begriff der Passform überhaupt?

Die großen Entwicklungsthemen unserer Zeit fordern den Begriff heraus. Digitale Technologien z.B. sind schon jetzt in der Lage immense und personalisierte Datenmengen auch in Bezug auf Körpermasse zu erfassen und in Echtzeit zu übermitteln. Intelligente Systeme, Verfahren und Materialien werden mit dem Ziel der Hyper-Customization und des Prosuming, Kunden und Herstellung in Zukunft noch stärker und direkter verknüpfen. Die Frage ist dann nicht mehr, ob „gute“ Passform stattfindet, sondern wann, wie, von wem und mit welchen Daten?

In der Nachhaltigkeit stehen die serielle Passform und systemische Größenskalierungen vor enormen Herausforderungen. Zero Waste, Konzepte des Re- oder Upcyclings müssen ressourcenabhängige nicht körperbezogene Argumente in Vordergrund stellen. Laut einer Studie von Gobal Data wird der weltweite Handel mit Vintage-Kleidung schon 2028 auf ein Volumen von 64 Milliarden Dollar steigen und damit mehr umsetzen als Neuware.⁶ Vintage-Kleidung ist nicht seriell und fordert ganz anders heraus uns von gewohnten Vorstellungen von zeitgemäßen Passform-Standards zu lösen. Müssen wir unsere Ansprüche ändern? Wann und wie wird Passform definiert? Wird Passform zum Luxus einer nachhaltigen Welt? Braucht es eine weltbezogene Definition für Passform? Passform als Passung in eine zukünftig nachhaltige Welt?

Während Nachhaltigkeitsbemühungen den freien ressourcenunabhängigen Dialog zwischen Designer*in und Design in Frage stellen, sind die Möglichkeiten im Virtuellen aber scheinbar unbegrenzt. Aber welche Rolle spielt die Passform im Virtuellen, wenn es die Referenz Körper mit all seinen physischen und physiologischen Gegebenheiten gar nicht mehr gibt? Is Fit also Modern?

In diesem Entwurfsprojekt soll eine gestalterische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Passform geführt werden.  Teilnehmer*innen werden ihr Verständnis von Körper, Kleidung und Modekörper als kontextabhängige, soziale und kulturelle Phänomene vertiefen. Sie werden die Rolle und Wirksamkeit von Mode und ihren Designenden im Kontext der Körperkonstruktion untersuchen und reflektieren, eigene Qualitätsparameter für die Gestaltung in Bezug auf Passform entwickeln und zu einer inklusiveren Praxis beitragen. 

 

 

¹ Der Titel des Projektes ist angelehnt an die von Bernhard Rudofsky kuratierte erste Modeausstellung Are Clothes Modern? im MoMA 1944 und die Folgeausstellung des MoMA 2017 Items: Is Fashion Modern?.

² Shusterman, Richard (2017) ‘Fits of Fashion: The Somaestethics of Style’ in: Matteucci, Giovanni & Marino, Stefano (Ed.) ‘Philosophical Perspectives on Fashion’, Bloomsbury Academic, London, p.92

³ Lehnert, Gertrud (1998) ‘Mode’, DuMont Buchverlag, Köln, p.15

⁴ Ebd.

⁵ Barry, Ben (2021) ‚ How to transform fashion education: A manifesto for equity, inclusion and decolonization ‘, International Journal of Fashion Studies, Vol. 8, N° 1

⁶ Prüfer, Tillmann (2021) ‚Stil ohne Sünde‘ in: ZEIT Magazin N°36, 2.9.2021, p.16

Studiengang / -richtung

Mode

Abschluss und Studienjahr

Bachelor 4. Stj.
Bachelor 3. Stj.

Semester

Wintersemester 2021



Ort

NLG R.310

Wochentyp

Normalwoche (1.-15.SW)



Modulbereich Design / Angebote Kunst

EK-Pflicht

Art der Prüfung

Projekt (P)

Benotung

benotet

Studiengang / -richtung

Mode

Abschluss und Studienjahr

Bachelor 4. Stj.
Bachelor 3. Stj.

Semester

Wintersemester 2021



Ort

NLG R.310

Wochentyp

Normalwoche (1.-15.SW)



Modulbereich Design / Angebote Kunst

EK-Pflicht

Art der Prüfung

Projekt (P)

Benotung

benotet