Mit dem, was da ist.
Fachtag zur Nachhaltigkeit im Kunstunterricht

Bericht zum Fachtag Kunst an der BURG vom 17.–18.9.2021

Foto: Patrick Müßiggang

Der diesjährige Fachtag Kunst der BURG, des Landesinstitutes für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt (LISA) und des Landesverbandes Sachsen-Anhalt des BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik fand vom 17. - 18.9.2021 auf dem Campus Design statt.

Erderwärmung, Artensterben, extreme Wetterereignisse: Die Grenzen des Wachstums, vor denen der Club of Rome schon 1972 warnte, sind in Zeiten globaler Krisen und gesellschaftlicher Herausforderungen deutlich spürbar. Und spätestens seit Greta Thunberg jeden Freitag die Schule bestreikte und sich öffentlich für einen nachhaltigeren Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten einsetzte, ist das Thema Nachhaltigkeit weltweit auch in den Schulen angekommen.

Mit dem, was da ist. Nachhaltigkeit im Kunstunterricht.
Der kunstpädagogische Tag 2021 fokussierte mit dem Titel „Mit dem, was da ist. Nachhaltigkeit im Kunstunterricht“ zukunftsorientierte Handlungsperspektiven. Etwa 40 Lehrer*innen, Referendar*innen sowie Studierende tauschten sich im Rahmen von Vorträgen, praxisorientierten Workshops und Projektvorstellungen zu künstlerischen und gestalterischen Zugängen zu Themen nachhaltiger Entwicklung aus, erprobten Arbeitsweisen und experimentierten im analogen und digitalen Raum forschend und spielerisch mit Materialien. Dabei lag ein besonderes Augenmerk auf einem späteren Transfer in den Kunstunterricht. 

dispose - reuse - recycle
Den Auftakt gestaltete Mareike Gast, Professorin für Industriedesign an der BURG, mit ihrem Vortrag Explorative Materialforschung für nachhaltige Zukünfte — Kunststoffe als nachhaltiges Kulturgut. Die von Gast gezeigten Einblicke in Studierendenprojekte gaben zukunftsweisende Anstöße. Aufsprühbare Sneaker, die sich an den Fuß maßschneidern lassen, nachhaltige Gemüseverpackungen aus Ei-Membran oder die Mehlwurmzucht in der Großbäckerei inspirierten mit Mut zur Utopie, zeigten aber auch alltagspraktischen Ideen der Wiederverwendung und Kreislaufwirtschaft.

Was Gips, Braunkohle und Mikrowellen verbindet
Unter Anleitung von Henning Frančik experimentierten die Teilnehmenden des Workshops Der Boden, auf dem wir stehen mit dem Geomaterial Gips. Woher kommt Gips? Lässt sich Gips aufschäumen und somit ressourcenschonender einsetzen? Wie lässt sich Gips recyceln — und was hat das mit Mikrowellen zu tun? Ausgehend von diesen Fragen verschaffte sich die Gruppe einen forschenden, produktiven Zugang zum Rohstoff. Denn wir stehen vor einem Problem: Mehr als die Hälfte des handelsüblichen Gipses ist sogenannter REA-Gips - ein Nebenprodukt der Braunkohleindustrie. Mit dem Kohleausstieg 2038 wird auch dieses wichtige Nebenerzeugnis verschwinden. So wurden im Workshop Strategien erster industrieller Gipsrecyclingwerke mit einfachen Mitteln nachempfunden und am Beispiel von Schaumgips ressourcensparende Herstellungsverfahren erprobt. Der Prozess glich einem Labor: Zwischen Rezepturen, Messinstrumenten und Rührschüsseln entstanden allerhand Materialproben, die zur weiteren Materialforschung und -verarbeitung einladen.

Outdoor Dancefloor
Im Workshop City Hacks vermittelte Sascha Henken vom Kollektiv Plus X (kollektivplusx.de) Strategien der Intervention im urbanen Raum. Ausgehend von Leerstellen und unbeachteten Transitorten entwickelten die Teilnehmenden eigene Visionen für eine Belebung des Stadtraums. Sie setzten in der näheren Umgebung des Campus unter anderem einen Pop-Up-Dancefloor, einen Naturschutzraum im Miniaturformat und eine Fotowand für Menschen mit Hunden um. Zur Verfügung standen einfache Materialien wie Pappe, Tape und bunte Farbe. Alles blieb temporär und sollte die Vorbeigehenden für kurze Zeit und mit einem Augenzwinkern zum Innehalten, Nachdenken oder zu spontanen Begegnungen anregen.

Digitale Formen und Kneten ohne Knetmasse
Angeleitet von Nikos Probst bauten die Teilnehmenden im Workshop Digitale Welten erschaffen eine eigene virtuelle Stadt. Das webbasierte Programm tinkerCAD ermöglicht Schritt für Schritt die Umsetzung digitaler Konstruktionsvorgänge und vermittelt die Möglichkeiten digitaler CAD-Technik bis hin zum 3D-Druck mit einfachen und spielerischen Mitteln. Die beispielhafte Übertragung eines Entwurfes in den realen Raum konnte die Gruppe mit Hilfe eines 3D-Druckers live miterleben. Der Workshop gab außerdem Einblicke in kostenfreie Apps wie Qlone, DestroyPix, Goxel 3D Voxel Editor, Glitch Lab oder 3D Live Scanner und Probst vermittelte verschiedenste Arten digitaler Gestaltung, die sich durch ihre intuitive Handhabung gut in den Unterricht einbauen lassen.

Sammlung als künstlerisches Mittel
Im Workshop Sammlung als künstlerisches Mittel mit der Künstlerin Nina Zahl nutzten die Teilnehmenden alltägliche Dinge — Gefundenes, Überbleibsel und Weggeworfenes — als Ausgangspunkt für ästhetische Ordnungen und eigene Feldforschungen. So entstanden Sammlungen von Artefakten: Kleine bedruckte Verpackungsreste, weggeworfene Kassenbelege, bunte Schraubdeckel, Zigarettenfilter, Haargummis, leere Tablettenstreifen, Steine und Federn bis hin zu ausgetrunkenen Sektflaschen. Sortiert, kategorisiert und arrangiert ließen sich anhand der Dinge und der in ihnen gespeicherten Informationen und Erinnerungen Geschichten erzählen. Oder die Dinge verwiesen auf die künstlerische Sammlung selbst, auf ihr Arrangement, eigensinnige Ordnungskategorien und neu entstehende Zusammenhänge.

Material literacy 
Sara Burkhardt, Professorin für Didaktik der bildenden Kunst, rundete das Programm mit einem Einblick in ihre Lehre ab. So nahmen zum Beispiel im Projekt „Object Lessons” Studierende Bezug auf das pädagogische Werk von Elisabeth Mayo (1793-1865) und deren Bruder Charles Mayo (1792-1846), welche Anweisungen zur Vermittlung von Objekten und Materialproben aus dem Alltag des 19. Jahrhunderts entwickelt haben. Die Materialkästen der Mayos wurden von den Studierenden aktualisiert und im Rahmen eines Unterrichtsprojektes zu Nachhaltigkeit und Klimawandel praktisch erprobt. Burkhardt plädiert für eine Materialbildung im Kontext von Kunstunterricht, die sowohl Aspekte der Nachhaltigkeit wie auch der Narration verstärkt in den Blick nimmt.

Der anschließende Gang durch die Materialsammlung der BURG verbildlichte regelrecht dieses Verständnis einer zeitgemäßen Materialbildung, welche Schüler*innen heute für einen bewussten Umgang mit der materiellen Welt sensibilisieren soll. Eine solche ,material literacy’ ist auch ein Ziel des von Mareike Gast und Sara Burkhardt geleiteten Forschungsprojektes BurgMaterial. Sarah Kaiser, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt, diskutierte mit den Teilnehmenden in der Ausstellung SOLUM, wie sich unsichtbare Geschichten, in denen Materialien eingebettet sind, vermitteln lassen.

Nachhaltigkeit und Experiment
Der Fachtag hat Möglichkeiten für eine nachhaltige Bildung im Kunstunterricht aufgezeigt, die mit dem, was da ist, kreativ und konstruktiv umgeht. Denn Künstler*innen und Designer*innen eröffnen neue Experimentier- und Denkräume, bringen positive Erzählungen und unkonventionelle Beiträge zum Nachhaltigkeitsdiskurs hervor. Der Fachtag hat damit ein weiteres Mal gezeigt, welche Bedeutung dem gemeinschaftlichen, multiperspektivischen Denken, Austauschen und Entwickeln zukommt. So ließen sich nicht nur neue Kontakte knüpfen, sondern vielleicht auch der fachdidaktische Dialog anregen und einen Transfer des Erlebten und Erfahrenen in den Kunstunterricht initiieren.

 

Text: Sarah Kaiser und Anne-Lena Fuchs

Konzeption und Organisation

Eine Kooperation des LISA mit der Professur für Didaktik der bildenden Kunst an der BURG und dem Landesverband Sachsen-Anhalt des BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik

 

Bericht

Sarah Kaiser und Anne-Lena Fuchs

Konzeption und Organisation

Eine Kooperation des LISA mit der Professur für Didaktik der bildenden Kunst an der BURG und dem Landesverband Sachsen-Anhalt des BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik

 

Bericht

Sarah Kaiser und Anne-Lena Fuchs