Gegen die Stille

Diplom von Franziska Schnürer

Wenn ich mein kleines Atelier betrete, ist es meist schon spät am Nachmittag. Der Alltag muss vor der Tür warten, denn nun beginnt das alte Ritual: Ich koche mir meinen Tee, lege mir Musik auf die Ohren und kuschel mich mit meinen Holzplatten und einer Auswahl an Skalpellen in meinen Sessel. Jetzt ist es Zeit, in meine eigene kleine Welt einzutauchen. Eine Suche nach einem Rückzugsraum vor der manchmal sehr lauten und hektischen Welt. Ich arbeite, so lange es sich leicht anfühlt. Wenn ich nicht merke, wie die Zeit verfliegt, ist es richtig.
Meine Arbeitsweise ist dabei sehr intuitiv. Ich setze willkürlich Schnitte in meine Holzplatten, dabei entstehen schwierige Stellen, auf die ich mit neuen Schnitten reagiere. Ich suche nach Spannungen, Harmonien, nach Dynamik und Rhythmus. Natürlich spielen bei der Entstehung der Bildgegenstände auch meine persönlichen ästhetischen Vorlieben eine große Rolle. Ich finde es spannend, wenn ich auch nach längerer Betrachtung von Kunst, gleich welchen Genres, immer neue Details oder Aspekte entdecken kann. Deshalb dehne ich meine detailverliebten Arbeiten gerne auf große Formate aus. Ich hoffe, so den Blick des Betrachters herauszufordern, ihn vielleicht sogar zu überfordern und ihn dabei anzuhalten, den Entstehungsprozess ein Stück weit mit eigenen Augen nachzuempfinden.
Der Holzschnitt hat sich im Laufe der Zeit dafür als ideales Mittel entpuppt. Das Material bildet einen Widerstand. Es zwingt mich, jeden Schnitt bewusst zu setzen. Ich darf nicht zu schnell arbeiten, sonst breche ich Strukturen heraus. Ich muss ruhig atmen, bis in die tiefste Zelle entspannt sein, damit meine Hand tut, was ich von ihr verlange. Dabei gerate ich schnell in einen meditativen Zustand. Diese innere Ruhe, die ich in meinen Arbeiten finde, überträgt sich auch auf alle anderen Lebensbereiche und umgekehrt gelingt es mir, mit zunehmender Ruhe, tiefer in meine Arbeiten einzutauchen.
Meine Arbeiten sind immer ungegenständlich. Das liegt in erster Linie daran, dass jeder konkrete Bildgegenstand automatisch formale Grenzen setzt, an die ich mich halten müsste und die den freien Lauf des Prozesses unterbrechen würden. Aus demselben  Grund verzichte ich vollständig auf jede Vorarbeit und auf Skizzen. Ich möchte die Ruhe unter keinen Umständen stören. Dennoch suche ich gerne nach etwas Vertrautem, nach Strukturen, die uns irgendwie bekannt vorkommen, sich dann aber doch nicht richtig fassen und einordnen lassen. Am Ende sind meine Bilder nicht zuletzt die Dokumentation eines Prozesses, der von intimen Einblicken in meine Emotionen und von einem tief verankerten Betätigungsdrang geprägt ist.