Rede von Prof. Monika Brugger, Professorin an der École nationale supérieure d’Art (ENSA), Limoges/Frankreich

Ausstellung in der Burg Galerie im Volkspark vom 15. November bis 16. Dezember 2012, Vernissage am Mittwoch, 14. November 2012, 18 Uhr.

Prof. Monika Brugger, Prof. Daniel Kruger und Paolo Bianchi bei der Eröffnung, Foto: Marcus Biesecke

Es ist schon viel über Schmuck gesagt worden, viel über Schmuck nachgedacht worden, ohne das es aufgeschrieben wurde. Es ist so, wie auch Peter Dormer über Schmuck einmal sagte: „Alles ist gemacht worden, es ist in Galerien oder in Museen zu sehen oder es wurde irgendwo in einem privaten Bereich geschaffen.“
Nun bleibt mir nichts anderes übrig, als Sie erst einmal willkommen zu heißen oder wieder zu gehen, was schwieriger ist und hoffen, dass ich es nicht all so schlecht mache.

Momente des Dialoges
Es ist eine große Ehre hier bei Ihnen zu sein. Vielen Dank an Sie alle, hier zu sein. Vielen Dank an Herr Müller-Schöll, vielen Dank an Daniel Kruger für Dein Vertrauen.
Daniel oder besser seine Arbeiten kenne ich seit 1978. Die Burg und ihre Arbeiten wurden mir noch vertrauter durch Imke Jörns, einer Studentin, die vor 16 jahre einige Zeit in Marseille und bei mir Zuhause in Nîmes verbracht hatte.
Es ist nicht oft, dass ich auf Deutsch, eigentlich meiner Muttersprache, über Schmuck eine richtige Rede halte. Und nicht über le bijou, les parures et les ornements sous tous les formes dans tous les segments dans la societé. Darum, vielleicht, gibt es auch einige kleine Fehler
Vernissagen sind immer mit Überraschungen und mit Erstaunen verbunden. Und wie hier ist es eine Freude zu sehen, wie jungen Generationen sich die wohl älteste Kunstrichtung aneignet haben. Wie sie sich neue Freiräume erarbeiten und immer wieder es schaffen, den Schmuck neu zu interpretieren.
Wir sind hier, um eine Ausstellung zu eröffnen und Ausstellungen sind immer wieder Momente des Dialoges, des Zusammentreffens. Es sind Momente, bei denen die Arbeiten aus dem geschützten Raum der Weckstatt hinaus kommen, sich dem Publikum zeigen, sich vielleicht auch dem Publikum stellen. Mit anderen Realitäten konfrontiert werden.
Eine Ausstellung ist immer eine Art von Neubeginn für Schmuck, eine neue Türe wird für ihn geöffnet.

Frauensache Schmuck
Formen und Materialien wie auch Ideen von Künstlern liegen hier ausgestellt, so auch Gedanken und Weltanschauungen, die wir mit unseren Augen erst einmal wahrnehmen.
Wir werden den Schmuck erst einmal anschauen, ihm vielleicht etwas überraschend gegenüberstehen, aber bestimmt Bekanntschaft mit ihm machen.
Er wird in uns Emotionen auslösen und Erinnerungen stimulieren.
Wir können ihn hier leider nicht in die Hand nehmen, aber von allen Seiten betrachten und uns vielleicht wünschen, ihn zu tragen.
Ja, Schmuck, im Wort Schmuck ist das Tragen inbegriffen.
Schmuck sollte, muss getragen werden, sonst ist er ein Wandschmuck, ein Mauerschmuck, ein Tischmuck, ein Tellerschmuck.
Schmuck zeigt seine ganz Persönlichkeit, wenn er getragen wird. Wenn er von der Intimsphäre in die öffentlichkeit tritt. Wenn er draußen auf der Straße ist, gesehen wird und mit anderen Menschen in Berührung kommt. Wenn er in Kontakt mit der Außenwelt tritt durch seine Trägerin. Ja das ist wohl auch so ein seltsame Realität, es ist auch kein freudscher Versprecher, es ist immer noch zum Großteil ein Frauensache Schmuck zu tragen.

Für Männer
Nun, was wird uns dazu bringen, eines dieser Schmuckstücke tragen zu wollen? Was bringt uns überhaupt dazu, Schmuck tragen zu wollen, zu wünschen sich zu schmücken?
Es ist in unserer Gesellschaft eine persönliche, eine freie Wahl.
Aber ohne geschmückt zu sein, ich glaube es war Sophie Loren oder vielleicht Liz Taylor oder ganz einfach meine Nachbarin, die das gesagt hat, kann frau sich nackt fühlen.
So wie in anderen Kulturen ist diese philosophische Notwendigkeit von Wichtigkeit.
Für einen Kajapo-Indianer aus Brasilien ist ein Mensch ohne Schmuck, wie ein Mensch ohne Identität; für einen Bafa aus Kamerun, ist es ein Mensch ohne „Sacrification“, dem Schwein oder dem Schimpansen ähnlich.
Ich möchte auch sehr gerne die Männer in diese Frage einbeziehen und kurz Sie bitten, einige Gedanken daran zu verschwenden.
Oder ist die Frage für die Männer immer noch: Was bringt mich dazu, einen Schmuck zu kaufen? ist es, um ihn meiner Liebsten (ich bin etwas altmodisch) umzuhängen, an den Arm zu stecken, ihn ihr an der Brust anzuheften (auch wieder ein altes Wort, es gab Brosche, die hießen Heftlein im Mittelalter).
Aber unter uns, anheften an die Brüste kann Ihre Bundeskanzlerin und mein Président de la Republique, bevorzugt an Generäle unseren Armeen und noch an andere wichtige Personen unser zwei Nationen.
Also kauft nun der Mann ein Schmuckstück und steckt es mit den dazu gehörenden Versprechungen an den Finger seiner Ausgewählten, oder ist dies nun nicht mehr aktuell und wir kaufen alle unseren Schmuck selbst.
Auf jeden Fall suchen wir den Schmuck aus.

Aufregendes Wechselspiel
Ja, der Grund dafür ist vielleicht, einen Schmuck haben zu wollen, der uns schöner werden lässt, der uns ermöglicht, die Freundinnen eifersüchtig werden zu lassen. Oder wollen wir mit dem getragen Schmuck etwas über unsere Ideen erzählen, mehr über unsere Person sagen.
Auf jeden Fall versuchen wir etwas über uns zu sagen. Den Zuschauer zu beeindrucken und unsere Persönlichkeit auszudrücken. Und für dieses Wechselspiel zwischen dem Träger und dem Publikum brauchen wir diese wunderbaren Arbeiten.
Dieses Wechselspiel beginnt mit einen Gespräch, manchmal mit dem Macher, wie es uns hier und heute an dieser Vernissage möglich ist, aber immer mit dem Schmuck.
Wir müssen zuerst den Schmuck betrachten und ihn berühren, ihn uns eigen machen und dann können wir ihn hinaustragen und diese neue Türe mit ihm öffnen, das aufregende Wechselspiel mit dem Publikum beginnen.

Die Freiheit gewinnen
Das Tragen von Schmuck wurde 1901 von Georg Simmel in einem der wenigen analytischen Texten beschrieben und in einer „Psychologie des Schmucks“ in Worten gefasst, die uns zeigt, warum dieses überflüssige Objekt eine so wichtige Rollen für unsere eigene Person spielt.
Dieses so überflüssige Objekt hat eine persönliche Sprache, die manchmal laut und manchmal leise ist. Manchmal ist sie einfach und manchmal komplexer. Und es kann auch passieren, dass sie unverständlich bleibt, aber nur auf ersten Blick. Sprachen, die von Künstlern entwickelt und gestaltet werden, benötigen einen zweiten Blick. Es sind Sprachen, die sich konfrontieren mit dem Körper, die sich entlang des Körpers bewegen, mit dem Köper eine Art Symbiose eingehen.
Sie berühren den Menschen, den Träger an seiner intimsten Stelle, an seinem Körper, an seiner Ausstrahlung, an seinem Gespräch mit der Außenwelt.
Dies ist auch der schwierigste, der abenteuerlichste und aufregendste Teil, für den Träger vielleicht mehr als für den Macher. Die Freiheit zu machen, müssen auch die Macher sich erarbeiten, die Freiheit zu tragen, das haben sie alle schon für sich gewonnen?!

Sich selbst sein
Ich denke immer, dass was den Schmuck so wunderbar macht, ist, dass er in vielen Arten und Weisen Gespräche eingehen kann.
Und dass dieses überflüssige, dieses von Menschen erarbeitet Stück materialisierter Gedanken abhängig ist von diesem Dialog mit den Anderen.
Dass er getragen wird und dadurch überall gesehen werden kann. Er wird getragen und gesehen in der U-Bahn, in der Kneipe, hier in der Schule, im Zug, und wo auch immer.
Er ist in allen Bereichen und sozialen Schichten unsere Gesellschaften, er ist nicht nur in Museen, er ist überall dort, wo Menschen sind treffen, ihn tragen und sich mit ihm zusammen zeigen.
Sich wohlfühlen mit ihm, sich freuen, so etwas wunderbares zu besitzen, ihn für sich alleine haben, aber wie schon Georg Simmel sagte, ihn all den Anderen zeigen, denn ohne die Anderen kann Schmuck nicht existieren. Er ist Teil dieses sozialen Wechselspiels, das uns hilft zu existieren.
Beginnen oder führen wir dieses Wechselspiel heute Abend weiter mit Gesprächen zwischen uns, zwischen den Schmuckmachern und Schmuckträgern, zwischen uns allen, die nicht Ornament und Verbrechen in Verbindung mit Schmuck bringen, so wie Adolf Loos es 1908 auf provozierende Art gemacht hat. Wir sollten den Schmuck als ein wunderbare Möglichkeit empfinden, sich selbst zu sein, als Träger oder als Macher.

Merci à vous & Vielen Dank
Monika Brugger, Paimpont – Halle, 14. November 2012