Dimitri Reibestein
Die Formalismusdebatte Ost. Engemann und die Burg
Masterthesis
In der Hochschulbibliothek der BURG*, einem nüchternen lichten Bau von 1967, fristet im Obergeschoss ein runder Holztisch als ‚Blumenhocker’ ein elendes Dasein – leichter Schiefstand, ausgeblichene Lackierung und angeschlagene runde Glasabdeckung auf der von Wasserflecken entstellten Tischplatte. Dieser Eindruck illustriert auf vorwurfs- volle Weise den derzeitigen Umgang mit der eigenen Geschichte: Sie existiert zweifel- los, ist immer noch nützlich, doch erfährt zu wenig Beachtung und Pflege.
Dieser „Kesselpaukentisch“, wie seine Archivbezeichnung lautet, stammt aus dem Jahr 1952, ist ein Engemann-Entwurf und entstand im Zusammenhang mit der Einrichtung des HO -Tabakwarenladens im Block Nord, Abschnitt E der Stalinallee in Berlin. Er kann als Symbol des Wirkens der BURG zu dieser Zeit zwischen Experiment und Anpassung gesehen werden. Die vier gekrümmten Vermittler zwischen Tischplatte und Fuß sind ein Versuch, mit gebogenem Schichtholz zu arbeiten und damit Material zu sparen; die aufwändige Intarsienarbeit auf der Tischplatte ist Ausdruck der Suche nach einem an- gemessenen Ornament für die neue Architektur, die neue Gesellschaft, das neue Leben in Frieden und Wohlstand. Doch die Ausformung des Fußes bleibt unbefriedigend. Will die BURG nach vorne schauen, muss sie dem Blick zurück in die eigene Vergangen- heit mehr Beachtung schenken.