Impuls

Diplom von Nadine Adam
aus der Klasse Bild/Raum/Objekt/Glas

"gestade" Schwarzer Edding auf 540 A4 Blättern, kopiert, auf Kartons kaschiert,
2,52 x 13,00 m, 2012/2013 (Ausschnitt an Wand 2,52 x 3,52 m)

"gestade. zoom out" Schwarzer Edding auf 540 A4 Blättern, eingescannt, ausgedruckt,
30 x 150 cm, 2012/2013

(Fotos: Matthias Ritzmann)

Impuls

ich sitze vor dem blatt. kein bild. keine erwartung. keine richtung. nur eine spur von neugier. ein ort, eine zeit, ein stift. eine erste bewegung mit der rechten hand, an eine stelle ganz unbefangen. ich setze eine unterscheidung, schaffe einen raum, der sich mitteilt. ich wiederhole. einen zweiten strich zum ersten, etwas versetzt. auftakt. zu linien im rhythmus.

langsamkeit ist kein credo. der lauf ist beherzt und die geschwindigen striche umtänzeln präzis das weiß auf dem blatt. sie bilden keine genuine formen mit festen grenzen und oberflächen, sondern lassen fluchträume, bruchstellen, öffnungen, erinnern an abgerundete, brüchige rechtecke, blütenartige gebilde, eingekerbte fruchtballen, verfallene holzbalken, kristalline splitter. varianten im dialog. ich sammle sie. wie blüten. kein ausdruck - ein lauf zusammen, an der berührungsebene zwischen stift und blatt entfaltet.

das verfahren ohne klaren bildplan meint keine hommage an das wuchern oder ungemäßes treiben. doch setzt er beide voran, scheinbar, aber mit bedacht, als gewagte annäherung an das sinnlos, aber mit kür. die kür ist der gefasste strich, der tanzt, und sich bewegt, als wär der raum frei, im leichten schritt errungen zu werden, in heiterkeit, und ohne wissen von dem, das kommt. die hand flieht nicht, sie baut, als verfolgt sie ein ziel, beschäftigt, unbedingt, ausdauernd. eins ums andere. automatique, pas automatique, denn der körper erschöpft sich, ist keine maschine.

die bewegung der hand geht dem auge voran, und dennoch bleibt der blick prüfend. ist der rhythmus stimmig? bilden die formen eine bewegung und dynamik, die mir gefällt, eine dramaturgie, die mich anspricht? mitunter setzt die bewusste, entschiedene lenkung ein, eine richtung wird bestimmt, ein maß gehalten, eine linie als signum gesetzt, auf die ich reagiere. setzung, wiederholung und widersetzung im nächsten moment.

wo liegt die information? unversehens in der form, als intentional dem auge geübt, spiegelt bedeutung sich ins flimmern des schwarz-weiß. es rauscht die frage nach möglichkeiten - von sinn im bild als bild. sinnbild von ordnung. nahezu, in anmutung von greifbarkeit bindet sich bedeutung ans verfasste:es steht ein wald von ungefähr (und ungefahr) und will alsdann bedeutung tragen: bin ich die frau im park, schlafend auf der bank, ungemerk noch dem getuschel aus dem dickicht, wo schatten eifrig brände legen - der hund nur lauscht mit einem ohr, ist hilflos im betragen; oder stell ich den leviathan als götze dem löwen vors aug gesetzt dar; oder bind ich, nach strich und faden, adorno nur ein klotz ans bein, will sagen, hintergeh diecontemplatiound führ sie ans selbst des unbedachten schauens. und läs ich honneth, ich säh die liebe, die im bild entgrenzt sich zeigt – und schon ein neuer plan im verfahren, keine grenzen zu setzen, selbst, nun selbst die schwelle zum thema zu machen, als transit und übergang – und schon ein neuer wink, sprach nicht benjamin gleich von der obren fläche als aurenmanifester ort allein? wär dort ein weg, ein weg nur sinn ins gemachte zu setzen. oder mindestens erzählung, so dass gelesen werden kann und reden möglich wird, über treffendes.

die bilder zeigen keinenhunger nach, sie zeichnen mehr einsatt sein. und doch sind sie begehren zu begreifen. die hand setzt an, wo die lippen noch kein wort gefunden. die hand will fassen, verstehen und unentwegt schreiben, wie alles sich verbindet. sie richtet keinen fokus auf ein geschehen, oder konzentriert sich auf ein ereignis, sie abstrahiert das prinzip unentwegter abläufigkeit. misst im takt das passieren in zeit, schreibt eine allegorie auf die differenz, die bewegung erzeugt.impuls.alles beginnt im kleinen. im kleinen herrscht ähnlichkeit und minimierter unterschied von teil zu teil. summieren sich die teile und wachsen sie zu einem größerem ganzen, differenzieren sich neue formqualitäten heraus.

 

 

Impuls - Elemente der Arbeit

Zeichnung I " gestade"
Schwarzer Edding auf 540 A4 Blättern, kopiert, auf Karton kaschiert,
2,52 x 13,00 m, 2012/2013

> eine zeichnung auf einem A4 blatt wird solange erweitert und um weitere A4 blätter ergänzt, bis das resultat zufriedenstellend ist. so enstand eine zeichnung im maß von 2,52 x 13,00m.das rhythmische verfahren im zeichnen orientiert sich an einem modus, der in der natur zu beobachten ist: unentwegte imitation und kopie als methode des wachstums und der vervielfältigung. differenz trennt eins vom nächsten. nie ist das nachfolgende dem vorangegangenen identisch. diese differenz erzeugt dynamik, rhythmus und bewegung in der übergeordneten form, lebendigkeit, ihr impuls jedoch bleibt ungreifbar.

 

Zeichnung II "gestade. zooming out"
Schwarzer Edding auf 540 A4 Blättern, eingescannt, ausgedruckt,
29,7 x 150 cm, 2012/2013

> die 540 einzelblätter der großen zeichnung wurden eingescannt und im minimal maß A4 (längsausdehnung als höhenmaß) ausgedruckt. das große wird zum kleinen. das fern angeschaute gibt neue informationen frei. vormals getrennt erfasstes verdichtet sich zur monochromen fläche und was zueinander nur in weitem bezug schien, bildet nun eine logische bewegungseinheit.

 

Zeichnung III / IV / V "gestade. zooming in"
Tusche und Lackstift auf Acrylglas, je 2 Platten hintereinanderstehend,
119 x 167 cm, 2012

> aus dem fundus von 540 A4 blättern wurden sechs blätter nach kompositorischen gesichtspunkten ausgewählt, die als vorlage für, in der technik der hinterglasmalerei, große zeichnungen auf plexiglas genommen wurden. das kleine wird zum großen. der blick aufs detail gibt neue informationen frei. vormals manifest und eigen erfasstes blättert sich in zahlloses auf. neue reichtümer und differenzen, neue ebenen und tiefen die eröffnen sich vor dem auge.