Wall32

Eine Perspektive auf die deutsche Teilung nach 32 Jahren Einheit

– Vincent Kaup –

Der Ort Sacrow liegt an der ehemaligen innerdeutschen Grenze – da wir uns in diesem Projekt mit Böden beschäftigen, fragte ich mich, was denn den Boden auf dieser Seite der ehemaligen Grenze von dem auf der anderen unterscheidet: Ich fand nichts. So begann ich, Abgrenzungen per se zu hinterfragen, und entdeckte sie hier überall: Um Privates von Halböffentlichem, Öffentlichem und vor allem Eigenes von Anderem zu trennen. Diese Barrieren funktionieren unterschiedlich und ergeben insgesamt einen Ort, in dem Teilflächen gerade durch die Abgrenzungen gekoppelt sind. Diese Beobachtungen haben mich schließlich zu meiner temporären Struktur inspiriert – eine Mauer, die erst als feste Grenze wirkt, aber eigentlich keine ist. Aus einem temporären, lokalen Material habe ich “Backsteine” hergestellt, die im Verbund eine einigermaßen feste, aber licht- und blickdurchlässige Mauer formen. Über die Zeit zerfällt sie und eingeschlossene Samen beginnen zu keimen: Aus der abgrenzenden Mauer wird ein einladend sprießendes Blumenfeld.

 

Der Ort Sacrow liegt auf dem ehemaligen Gebiet der DDR, von der Havel-Halbinsel Meedehorn aus kann man übers Wasser buchstäblich “in den Westen” (man guckt nach Osten) schauen. Diese Nähe zur ehemaligen innerdeutschen Grenze bringt ein Spannungsfeld mit sich, das bis heute spürbar ist und mich fasziniert – ich bin im geeinten Berlin aufgewachsen; die Mauer ist für mich eigentlich ein Relikt der Geschichte. Mit meiner Lebensrealität hat die deutsche Teilung im Prinzip nichts zu tun, und doch sind ihre Nachbeben hier klar vernehmbar.
Da wir uns in diesem Projekt mit Böden auseinandergesetzt haben, stellte ich mir die Frage, was denn den Boden auf dieser Seite der ehemaligen Grenze von dem auf der gegenüberliegenden Seite unterscheidet: Ich fand nichts. So begann ich, Mauern, Zäune und Abgrenzungen per se zu hinterfragen, und entdeckte sie in der Kleingartenanlage auf dem Meedehorn überall: Um Privates von Halböffentlichem zu trennen, dies wiederum von Öffentlichem und natürlich auch das eigene Private von dem des Anderen. Man kann erstaunliche Unterschiede der Barrieren, und dementsprechend auch der impliziten Aussagen, feststellen – durch einen kopfhohen Zaun kann man beispielsweise hervorragend hindurchschauen, obwohl er beinahe unüberwindbar ist. Eine Hecke hingegen schützt trotz ihrer physischen Durchlässigkeit vor Blicken. Ein kniehohes Gartentürchen ist schließlich die spießbürgerlich-psychologische Krönung der Barriere – anstatt tatsächlich den Zutritt zu verweigern, sind die gesellschaftlichen Implikationen des Übersteigens gewaltig genug. So ergibt sich in der Kleingartenanlage auf dem Meedehorn auf den zweiten Blick ein komplexes Netzwerk aus impliziten Verboten, Einladungen, Sichtbarrieren und Präsentiertellern, in dem verschiedene Teilflächen gerade durch die Abgrenzungen miteinander gekoppelt sind. Diese Beobachtungen haben mich schließlich zu meiner temporären Struktur inspiriert –der Gedanke dahinter war, eine Mauer zu bauen, die den ersten Eindruck einer standfesten, nicht passierbaren Grenze erweckt, aber bei näherer Betrachtung und über die Zeit doch sehr permeabel ist und sogar zum Näherkommen einlädt. Diese Ideen haben sich im Prozess der Formgebung in konkrete Vorgaben übersetzt: Die Mauer soll aus dem lokalen Material bestehen – aus dem für Berlin und Umgebung typischen Sandboden ergibt sich nach mehrfachem Sieben ein feines, dunkles bis schwarzes Sandpuder, was mit Casein als Binder vermehrt, feucht geformt und schließlich ganz getrocknet ein erstaunlich stabiles Endmaterial produziert. Daraus habe ich mit einer per 3D-Druck geformten Negativform “Backsteine” hergestellt, die miteinander einrasten und im Verbund eine einigermaßen feste Mauer mit gewelltem Erscheinungsbild formen. Die Backsteine, in die Pflanzensamen eingearbeitet sind, bilden zwischen sich hexagonale Freistellen, welche die Mauer licht- und blickdurchlässig machen. Der temporäre Aspekt besteht darin, dass das Casein sich über die Zeit durch die Witterung löst, die Mauer zerfällt und die enthaltenen Samen im gelockerten, feuchten Boden beginnen zu keimen: Aus der abgrenzenden Mauer wird ein einladend sprießendes Blumenfeld.

Ort der Inspiration:

Meedehorn (Sacrow) bei Berlin

Material:

fein gesiebter Sand, Casein, teilweise Papierpulpe

Verfahren der Herstellung:

3D-gedruckte Form, Pressformen, Trocknen im Backofen

Zeitliche Komponente:

Zerfall bei Wassereinwirkung – pflanzliches Wachstum

Ort der Inspiration:

Meedehorn (Sacrow) bei Berlin

Material:

fein gesiebter Sand, Casein, teilweise Papierpulpe

Verfahren der Herstellung:

3D-gedruckte Form, Pressformen, Trocknen im Backofen

Zeitliche Komponente:

Zerfall bei Wassereinwirkung – pflanzliches Wachstum